Wilke, T. (2009). Brand New Diplomacy. Warum die deutsche Bundeskanzlerin manchmal ein grünes Fähnchen schwenken muss. w.e.b.Square, 02/2009. URL: http://websquare.imb-uni-augsburg.de/2009-02/13.
Neu Delhi, am 30. Oktober 2007: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der indische Premierminister Manmohan Singh stehen umrahmt von internationaler Presse und zwei ungewöhnlich großen Delegationen aus Deutschland und Indien auf einem Bahnsteig. Neben ihnen ein weißer Zug, geschmückt mit Girlanden in den deutschen Nationalfarben: Der „Science-Express“. Ein Zug, bestehend aus 13 Waggons, gefüllt mit modernster Technik. Einem Wissenschaftslabor für Kinder inklusive. Als der Zug losfährt, schwenken beide Regierungschefs grüne Fähnchen - eine optimale Inszenierung für die anwesende internationale Presse.
Welche guten Gründe muss es für die Bundeskanzlerin geben, persönlich die Abfahrt eines Zuges in Indien zu begleiten? Welch große Bedeutung muss dieser Zug für die Bundesrepublik nach Ansicht der deutschen Regierung haben, dass jenes Bild einer Fähnchen schwenkenden Kanzlerin um die Welt geht?
Regierungen sind einer neuen Transparenz ausgesetzt. Ihr Handeln kann von Öffentlichkeiten weltweit wahrgenommen werden. Jede politische Entscheidung kann mittels digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien erfasst und in Sekundenschnelle verbreitet werden. Auf diese Weise können politische Prozesse sowohl im In- als auch im Ausland wahrgenommen und in nahezu beliebig vielen Öffentlichkeiten eingebracht werden. Die Ursache dieser neuen Transparenz ist eine Veränderung des internediären Kommunikationssystems, die Veränderung von Öffentlichkeiten (vgl. Gerhards & Neidhardt, 1991, S.31ff, Neidhardt, 1994, 7ff). Öffentlichkeiten, die durch den Austausch von Informationen und Meinungen entstehen, sind nicht mehr auf Themen und Akteure der eigenen Gesellschaft begrenzt. Sie unterliegen immer mehr dem Prozess der Transnationalisierung - einer Öffnung über nationale Grenzen hinweg hin zu Themen, Akteuren und Meinungen anderer Öffentlichkeiten (vgl. Kaelbe et al., 2002).
Zweifelsohne ist Transparenz von politischem Handeln ein Gewinn für die Stabilität demokratischer Systeme. Für Regierungen aber, kann sie auch Nebeneffekte mit sich bringen, die nicht immer erwünscht sind. In stabilen und sicheren Zeiten ist eine Transparenz hin zu transnationalen Medien und Öffentlichkeiten eine gute Voraussetzung, um sich international gut darzustellen. Das Land kann an positivem Image gewinnen. In Krisenzeiten allerdings haben Regierungen keinen Einfluss darauf, welche Informationen über sie und ihr Land in welchem Framing und mit welcher Differenziertheit sie die Grenzen überschreiten. Einem Land kann hierdurch großer Schaden zugefügt werden. Je größer die Akzeptanz in den Öffentlichkeiten zu bestimmten Themen und dem eigenen Land ist, desto größer ist die Chance für Regierungen, eigene Ziele umzusetzen und sich auf der Bühne der internationalen Beziehungen positionieren.
Länder sind durch die Globalisierung und transnationale Vernetzung einer Vielzahl von Konkurrenten ausgesetzt, mit denen sie in einem harten Wettbewerbe stehen: Der Wettbewerb um die Rekrutierung von Fachkräften und jungen Wissenschaftlern, die Anziehungskraft auf internationale Eliten, Touristen und ausländisches Direktkapital. Es ist der Wettbewerb um die Zukunftsfähigkeit eines Landes. Aber nicht nur die Transparenz ist ein Faktor in diesem Wettbewerb. Regierungen teilen sich mit neuen transnationalen Akteuren wie Internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, transnationalen Unternehmen oder Expertenöffentlichkeiten, zum Beispiel wissenschaftlichen Netzwerken die internationale Bühne. Sie teilen sich die entscheidenden Ressourcen Aufmerksamkeit, Glaubwürdigkeit, gezielte Themensetzung und die Einflussnahme auf Öffentlichkeiten mit einer großen Zahl von nicht-staatlichen Akteuren. Viele der transnationalen Akteure verfügen über einen ähnlich hohen Informationsstand bei aktuellen politischen Entwicklungen wie nationale Regierungen und Ministerien. Transnationale Akteure beobachten aufmerksam das Handeln von Staaten und partizipieren aktiv an Debatten über Außenpolitik und ihrer Umsetzung (Riordan 2007: 190). Sie befinden sich oftmals auf Augenhöhe mit den Regierungen.
Die Politik reagiert: Die Außendarstellung von Staaten unterliegt in den letzten Jahren einem massiven Wandel. Instrumente des strategischen Marketings haben in die Außenministerien weltweit Einzug gehalten und die klassische Public Diplomacy, die Kommunikation von Regierungen mit Öffentlichkeiten, verändert. Das Image eines Landes ist zum entscheidenden Faktor bei der Durchsetzung politischer Ziele geworden. „Nation Branding“ heißt das neue Instrument, mit dem Staaten auf die internationale Bühne treten: Die gezielte Kommunikation eines Landes und seiner Nation als eine Marke. Auch die deutsche Regierung bedient sich dieses neuen Instrumentes um auf auswärtige, aber auch auf die eigene Öffentlichkeit, gezielt Einfluss zu nehmen.
Nation Branding setzt an der zunehmenden Bedeutung von transnationalen Öffentlichkeiten an. Die Idee: Das Image eines Landes verhält sich wie eine Marke und kann wie ein Brand kommuniziert werden. Ein Länderimage entsteht durch viele verschiedene Kanäle. Simon Anholt, Begründer des Konzeptes für Nation Branding, zählt dazu vor allem die persönlichen Begegnungen mit einem Land und den Menschen, die in ihm leben und die es nach außen repräsentieren. Aber auch das wirtschaftliche Engagement eines Landes, die Exportmarken (vgl. Country-of-Origin-Effect) und der Kulturaustausch, formen das Länderimage (Anholt 2007: 25).
Der Markenwert eines Landes ist messbar. Er wird mit Hilfe von Meinungsumfragen in Öffentlichkeiten und Unternehmen und Studien internationaler Organisationen ermittelt. Auch Sovereign Ratings und der von Anholt entwickelte ‚Nation Branding Brand Index’ werden von vielen Ländern genutzt. Während Sovereign Ratings die Bonität eines Landes untersuchen, die große Auswirkungen auf den Kapitalfluss ausländischer Investoren hat, untersucht der Nation Brand Index jene Attribute, die einem Land weltweit zugeordnet werden.
Nach Analysen von Anholt (siehe Grafik) lässt sich das Image Deutschlands als wenig mehr denn eine Fabrik für Konsumgüter bezeichnen (im Folgenden Anholt 2007: 69 ff.). Zwar wird die deutsche Regierung hoch geachtet und das Potenzial Deutschlands für Direktinvestitionen anerkannt. In der Herstellung von Qualitätsgütern steht Deutschland weltweit an zweiter Stelle nach Japan. Darüber hinaus sind Deutsche als Manager und potentielle Angestellte international sehr angesehen. Erstaunlich ist allerdings, dass Deutschland international kaum als Tourismusziel oder Kulturland wahrgenommen wird. Das deutsche Länderimage ist bis heute in manchen Ländern, wie in Großbritannien, eng mit der Zeit des Dritten Reiches verknüpft. Deutsche werden international mit den Attributen „seriös“, „berechenbar“ und „kalt“ beschrieben. Nicht die zugeordneten Attribute stellen nach Anholt für die internationale Aufstellung Deutschlands Hindernisse dar, sondern vor allem das fehlende gesunde Verhältnis der Deutschen zu ihrem Land und zu ihrer Nation: „Germans aren’t quite sure how to love themselves, […] and it’s hard to love somebody who doesn’t quite know how to love himself“ (Anholt 2007: 71). Insgesamt lag der Markenwert von Deutschland im Jahr 2005 bei ca. 4.58 Milliarden US-Dollar. Nur die USA mit ca. 17.89 Milliarden und Japan mit ca. 6.21 Milliarden US-Dollar lagen vor Deutschland (Dinnie 2008: 65).
Tabelle: Financial valuation of nation brands
Quelle: Anholt, Simon (2007): „Competitive Identity. The New Brand Management for Nations, Cities and Regions”, New York: Palgrave Macmillan, S. 45
Nation Branding wird an Regierungen als ein Konzept verkauft, das fast alle ihre Wünsche wahr werden lassen kann. Nation Branding soll die Stärken eines Landes herausstellen und in auswärtige Öffentlichkeiten und auf dem Weltmarkt positionieren können. Es soll die Aufmerksamkeit und das Interesse von relevanten Fokusgruppen und den Massenmedien weltweit auf sich ziehen und das Nationalbewusstsein des Landes stärken können. Der Weg dorthin ist die Vermittlung eines klaren und stimmigen Länderimages in die eigene und in auswärtige Öffentlichkeiten, so die Strategen.
Charakteristisch für die Kommunikation einer Marke, und damit auch für Nation Branding, ist der Entwurf einer Corporate Identity, einer Dachmarke, eines Logos und eines Claims sowie Strategien für die Medienarbeit und Werbekampagnen. Eine Dachmarke, auch Umbrella-Brand genannt, ist ursprünglich eine Strategie der Markenpolitik von Wirtschaftsunternehmen: Unter einer Dachmarke werden alle Produkte eines Unternehmens oder einer Sparte kommuniziert (vgl. Meffert 2000).
Bezogen auf die Kommunikation eines Landes können einer Dachmarke sämtliche Dienstleistungen, Produkte, Investitionsgüter, Handel und Tourismus, Kommunikation der Politik, der Kultur, des Sports, der Literatur, der Filme, der Auslandsvertretungen, der Handelsbeziehungen und der wirtschaftlichen und privaten interpersonalen Kontakte zugeordnet und unter ihr kommuniziert werden (Anholt 2003: 122 f.). Dies ist dann möglich, wenn öffentliche und staatliche Akteure zusammenarbeiten (Public-Private-Partnership). Neben Ländern wie z.B. der Schweiz, Brasilien, Großbritannien, Frankreich, Spanien und China hat auch Deutschland das Konzept des Nation Branding in seine Public Diplomacy integriert.
Graphik: Beispiel für die Umsetzung einer Dachmarke: Das Nation-Branding-Konzepts von Island
Quelle: Dinnie, Keith (2008): „Nation Branding - Concepts, Issues, Practice“, Oxford: Butterworth-
Heinemann, S.185
Die Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2006 war der Anlass für die Realisierung eines offensiven Nation-Branding-Konzeptes für Deutschland: ‚Deutschland – Land der Ideen’ (im Folgenden: ‚Land der Ideen’). Dieses Konzept ist von der Bundesregierung und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ins Leben gerufen worden und besteht aus dem Verein ‚Deutschland – ‘Land der Ideen’ e.V.’, der die inhaltliche Ausrichtung übernimmt und der Agentur ‚Marketing für Deutschland GmbH’. Sie setzt die einzelnen Kommunikationsmaßnahmen um und koordiniert die gesamte Kampagne, die bis zum Jahr 2010 fortgesetzt werden soll.
‚Land der Ideen’ wurde nach einem Public-Private-Partnership-Prinzip umgesetzt: Unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten arbeiten drei Bundesminister (Auswärtiges Amt, Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie) mit Wirtschaftsverbänden und großen deutschen Unternehmen, wie z.B. der E.ON AG, an einer gemeinsamen Ausrichtung der Marke „Deutschland“. Sie werden von Führungskräften aus wirtschafts- und medienrelevanten Bereichen wie z.B. Industrie und Sport, und von Referenten der Ministerien und Mitgliedern des Bundestages beraten.
Für die Kommunikation wurde der Claim ‚Deutschland - Land der Ideen’ für das Inland und ‚Germany – Land of Ideas’ für das Ausland entwickelt und durch eine Wort-Bild-Marke ergänzt.
Graphik: Wort-Bild-Marke von ‚Germany - Land of Ideas’
Quelle: Land der Ideen (2008): „Logo ‚Welcome to Germany - Land of Ideas“, URL: http://www.land-der-ideen.de/CDA/bildarchiv,27,0,,de.html [letzter Zugriff: 07.04.2008]
Der Dachmarke ‚Deutschland - Land der Ideen’ sind mehrere Untermarken mit unterschiedlicher Lebensdauer zugeordnet worden, wie z.B. ‚Invest in Germany’. ‚Land der Ideen’ arbeitet ausschließlich mit einer PR-gesteuerten Kommunikation via Multiplikatoren und redaktioneller Berichterstattung (Land der Ideen 2007: 14).
Die Ziele für 2006 waren die „langfristige Darstellung und Vermittlung eines positiven Deutschlandbildes im In- und Ausland anlässlich der WM 2006“. Die Darstellung wollte im Inland „Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und die Zukunftschancen Deutschlands vermitteln“ und im Ausland den Standort Deutschland als „weltoffenes, zukunftsfähiges und innovatives ‘Land der Ideen’ präsentieren“ (Land der Ideen 2007: 66). Nach der Fußballweltmeisterschaft gab es neue Aufgaben für die Kampagne: Sie soll das „zeitgemäße Deutschlandbild nachhaltig festigen“ und Deutschland als Investitionsstandort vermarkten (im Folgenden Land der Ideen 2008: 10 ff.). Themen wie Bildung, Forschung und Nachwuchsförderung waren neue Schwerpunkte für die Kommunikation Deutschlands, die vor allem an das Ausland gerichtet war. Zu diesem Zweck wurden neue Marken wie ‚Research in Germany’ konzipiert, die mit Informationskampagnen und Vortragsreihen sowohl die EU-Ratspräsidentschaft als auch den G8-Vorsitz Deutschlands 2007 rahmten. Nach diesen Ereignissen lag der Schwerpunkt auf der Untermarke ‚Research in Germany’, zu der eine Informations- und Imagekampagne in Vorbereitung zur Expo 2010 in China und auch der Science-Express in Indien gehören.
Aber wie fügt sich dieses neue Instrument „Nation Branding“ in Kommunikationsinstrumente der deutschen Regierung ein? Und welche Wirkungen soll es erzielen? Betrachtet man die deutsche Public Diplomacy, fallen zwei Besonderheiten im Vergleich zu anderen Staaten auf: erstens, die zweigeteilte Struktur, zweitens die dialogische Ausrichtung ihrer Maßnahmen.
Die erste Besonderheit, die zweigeteilte Struktur, ergibt sich aus der Unterscheidung des Auswärtigen Amtes zwischen „Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik“ (AKBP) und der sog. „Public Diplomacy“. Die AKBP hat die Aufgabe, die kultur- und bildungspolitischen Interessen Deutschlands im Ausland umzusetzen. Mit Begegnungsangeboten, wie z.B. Besucherprogrammen, Mediendialogveranstaltungen oder den Deutschlandzentren im Ausland, möchte das Auswärtige Amt gegenseitigen Austausch fördern. Neben verschiedenen Behörden ist eine große Anzahl von Mittlerorganisationen und privaten Akteuren in die außenpolitische Strategieentwicklung und in das außenpolitische Handeln im Rahmen der AKBP eingebunden. Zu ihnen gehören u.a. das Goethe-Institut oder der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD).
Im Rahmen der sog. „Public Diplomacy“ setzt das Auswärtige Amt die politikbegleitende Öffentlichkeitsarbeit im In- und Ausland um (Groling/Schlageter 2007: 550, 554). Kommunikationsinstrumente sind Publikationen (z.B. „Facts about Germany“), zielgruppenorientierte Begegnungsangebote (Mediendialogveranstaltungen) und Informationsangebote via Funk (z.B. Deutsche Welle) und Internet (z.B. www.socceringermany.info). Darüber hinaus bildet die Akademie der Deutschen Welle weltweit, besonders aber in aufstrebenden Regionen und in Krisengebieten wie z.B. in Afghanistan, Journalisten aus.
Die zweite Besonderheit ist die dialogische Ausrichtung deutscher Public Diplomacy. Was in ihrer Entstehungszeit als notwendiges Mittel zur Reintegration Deutschlands in die internationale Gemeinschaft und zur Völkerverständigung eingesetzt wurde, ist unter den neuen Rahmenbedingungen von transnationalen Öffentlichkeiten zu einem wertvollen Gut geworden. Denn eine dialogische Ausrichtung ermöglicht, politische Macht auf eine neue Weise umzusetzen: durch das Prinzip der Softpower. Der Begründer der Theorie, Jospeh S. Nye Jr., unterscheidet zwei Arten der Machtdurchsetzung von Staaten im heutigen Informationszeitalter: Hardpower, militärische und ökonomische Macht, und Softpower (Nye Jr. 2004: 31): „It is the ability to get what you want through attraction rather than coercion or payments. It raises from the attractiveness of a country’s culture, political ideals, and policies“.
Softpower ist durch „attraction“ und Agenda-Setting zu erreichen. Die Werte eines Landes, die Kultur, die Politik und die Institutionen und Einrichtungen, spielen dabei eine wichtige Rolle. Soft Power wird durch Public Diplomacy umgesetzt (Nye, Jr. 2004: 31). Sie ermöglicht Staaten, auf andere Länder Einfluss zu nehmen und durch die geschaffene Glaubwürdigkeit an Attraktivität zu gewinnen (Perthes 2007: 5). Auch die deutsche Bundesregierung orientiert sich an dem Konzept „Softpower“ von Jospeh Nye Jr. (Interview Auswärtiges Amt1).
Allerdings fehlen dieser ‚weichen’ Public Diplomacy Instrumente für eine klare Kommunikation, die wirkungseffektiv und kommunikationsstark Informationen und Fakten offensiv vermitteln können. Rückblickend auf die Herausforderungen, die transnationale Öffentlichkeiten für Staaten hervorrufen, wird die Relevanz einer ‚harten’ Public Diplomacy deutlich: Auf einer gemeinsamen Bühne teilen sich die Staaten die Ressourcen Aufmerksamkeit, Glaubwürdigkeit und Agenda-Setting mit neuen transnationalen Akteuren. Staaten werden für transnationale Öffentlichkeiten zunehmend transparent. An diesen Herausforderungen, dem „Kampf um Reputation“ (Anholt 2007: 34), setzt das Konzept Nation Branding für Deutschland an: Die Schaffung einer Markenidentität ‚Deutschland’, die Bündelung von Maßnahmen deutscher Public Diplomacy unter einem klaren Claim („Deutschland – Land der Ideen“) und einer eindeutigen Wort-Bild-Marke. So kann ein Bild Deutschlands weltweit eindeutig und den Wünschen der Regierung nach, zielorientiert und klar positioniert werden.
Für viele Regierungen ist das Konzept Nation Branding eine passende Lösungsstrategie für die vielen Herausforderungen, die transnationale Öffentlichkeiten ihnen stellen. Es misst dem System Öffentlichkeit und der öffentlichen Meinung eine zentrale Bedeutung zu. Dies kann eine Chance für das politische System und die Struktur von Öffentlichkeit sein. Nation Branding hat die Stärke, den Erfahrungsschatz der bereits gesammelten Erfahrungen mit der Kommunikation von Unternehmensmarken, in das neue Instrument der politischen Kommunikation einbringen zu können. Es ist ein Konzept mit Erfahrung. Nation Branding birgt aber auch Schwächen und Risiken. Von ihnen sind drei besonders hervorzuheben.
Die Schwäche der Kommunikation eines Landes als Marke besteht in der Verwendung von Stereotypen. Markenkommunikation versucht bestehende Images zu aktivieren und sie umzuformen. Der Bildung von Stereotypen geht eine Reduzierung von Komplexität und Informationen des betroffenen Gegenstandes voraus. Bezogen auf das Konzept Nation Branding wird eine historisch gewachsene Nation auf eine Wort-Bild-Marke und einen Claim reduziert. Die Differenziertheit in der Betrachtung eines Landes und die Pluralität, die jede gewachsene Nation und jeder Staat besitzt, gehen dabei verloren. Nation Branding besitzt die Schwäche, der Vielfalt eines Landes niemals gerecht werden zu können.
Ein Risiko von Nation Branding ist die zunehmende Verflechtung von staatlichen und privatwirtschaftlich agierenden Akteuren aus Werbung, PR und Marketing. Bereits in der nationalen politischen Kommunikation werden auch außerhalb von Wahlkampfzeiten professionelle Medienkampagnen mit den Mitteln des politischen Marketings inszeniert (vgl. Swanson 2003). Die gegenseitige Interpenetration der Handlungssysteme und die daraus folgende Angleichung von Handlungsnormen von Politik und politischer PR sind nur zwei der zahlreichen Problemfelder (vgl. ausführliche Darstellung in Hoffjan 2007: 127ff.). Die Gefahr ist groß, dass es auch in der Außenpolitik oder in den internationalen Beziehungen zu solchen Entwicklungen kommt. Inwieweit Marketing und PR in die außenpolitische Kommunikation eindringen und damit bisherige Strukturen von Diplomatie und den internationalen Beziehungen beeinflussen können, lässt sich bereits heute erahnen.
Ein weiteres Risiko besteht in der bewussten Penetration von Öffentlichkeiten durch Regierungen. Auch wenn zwischen Public Diplomacy und Propaganda klar unterschieden werden muss, haben beide Konzepte eines gemeinsam: Sie wollen öffentliche Meinung beeinflussen und oftmals auch verändern. Dies hat Folgen für die normative Funktion von Öffentlichkeit als ein autonomes Teilsystem der Gesellschaft, in dem sich die politische Agenda bildet. Wenn Regierungen zunehmend zielgerichtet fremde Öffentlichkeiten instrumentalisieren, um auf die öffentliche Meinung und damit indirekt auf fremde Regierungen einwirken, verlieren Öffentlichkeiten ihre Funktion als Legitimationssystem ihres politischen Systems. Dies würde die Grundsätze von modernen repräsentativen Demokratien in Frage stellen.
Mit der Integration des Konzeptes von Nation Branding hat sich die deutsche Public Diplomacy verändert. Die deutsche Regierung ist in der Lage, Öffentlichkeiten zu nutzen, um auf andere Regierungen indirekt einzuwirken. Politische Ziele können international durch die Penetration von auswärtigen Öffentlichkeiten mit bestimmten Themen und durch Agenda-Setting vorbereitet werden. Der Science-Express ist ein Beispiel dafür. Die deutsche Regierung hat den Wissenschaftszug ermöglicht, um die Botschaft von Deutschland als führende Nation in den Hochtechnologien in transnationale Öffentlichkeiten zu senden und sie mit einem bestimmten Image Deutschlands zu penetrieren (Interview Auswärtiges Amt und Bundesministerium für Forschung und Bildung).
Nation Branding bietet die Möglichkeit, die Reputation und Attraktivität von Staaten zu pflegen. Dies ist vor allem an dem zunehmenden Wettbewerb der Regierungen um die Austragung von Großereignissen wie eine Fußballweltmeisterschaft oder den olympischen Spielen zu beobachten. Keine noch so kostenintensive Imagekampagne für ein Land kann die Aufmerksamkeit einer weltweiten Öffentlichkeit in solchen Dimensionen auf sich ziehen, wie jene Großereignisse.
Deutsche Public Diplomacy hat sich verändert: Die Maxime der Völkerverständigung ist heute mit klaren strategischen Interessen der Regierung im Sinne des Softpower-Ansatzes von Nye Jr. verknüpft und wird mit „harten“ Kommunikationsinstrumenten wie Nation Branding umgesetzt.
Brand New Diplomacy. Die neue Kommunikationsstrategie vieler Regierungen bewegt sich auf dem Grat zwischen gezielter Propaganda, einer neuen Vermarktung von Politik und der Schaffung einer neuen Diplomatie. Wohin die Reise geht, werden die nächsten Jahre zeigen.
Warum also eine Bundeskanzlerin manchmal ein grünes Fähnchen schwenken muss? Sie tut es für das Image von Deutschland.
Und übrigens: Am Tag, an dem Frau Merkel den Science-Express auf die Reise schickte, wurde bekannt gegeben, dass die Frauen-Fußballweltmeisterschaft im Jahre 2011 vom Deutschen Fußball-Bund ausgerichtet wird – in Deutschland versteht sich…
Der vorliegende Artikel basiert auf der wissenschaftlichen Arbeit von Frau Wilke zur Erlangung des Grades „Bachelor of Arts“ (B.A.) an der Universität Augsburg. Sie trägt den Titel: „BRAND NEW DIPLOMACY. Die Herausbildung von Nation Branding als neues Kommunikationsinstrument deutscher Public Diplomacy vor dem Hintergrund der Transnationalisierung von Öffentlichkeiten am Beispiel des Science-Express in Indien.“
Bei Interesse können Sie sich jederzeit gern an die Autorin wenden.
1Interview im Rahmen der Bachelorarbeit zum Thema Nation Branding Deutschlands mit dem Leiter für „Deutschlandbild im Ausland“ im Auswärtigen Amt.