Simonis, M. & Wenger, K. (2011). Das Glücksprinzip. Wissensteilung als universelle Lösung? w.e.b.Square, 01/2011. URL: http://websquare.imb-uni-augsb...
Im Film „Das Glücksprinzip“ erfindet der Schüler Trevor ein System, um die Welt zu verändern, weil er sie als unbarmherzig und anteilnahmslos empfindet. Seine Idee beruht darauf, dass eine Person, die von einer anderen Gutes erfährt, sich dazu verpflichtet, die gute Tat „weiterzugeben“. Das heißt, sie muss drei weiteren Menschen bei Problemen helfen, die sie nicht allein bewältigen könnten. Zehn Jahre nach Erscheinen des Films und der Verabschiedung der Bologna-Reform haben sich zwei Studierende der Universität Augsburg die Frage gestellt, ob es möglich wäre, ein ähnliches System einzuführen und die aktuellen Zustände an Universitäten durch Wissensteilung zu verbessern.
Was genau ist Wissensteilung?
Um Wissensteilung verstehen zu können, müssen zuerst beide Komponenten des übergeordneten Begriffs „Wissensmanagement“ genauer definiert werden.
North (1999) beschreibt „Wissen“ als eine Weiterentwicklung von Informationen. Es entsteht, wenn eine Person einzelne Informationen aufnimmt, subjektiv interpretiert und mit bereits bestehendem Wissen verknüpft. (vgl. North, 1999, zitiert nach Hube, 2005, S. 25)
„Management“ wird im Deutschen eher im wirtschaftlichen Sinne verwendet, jedoch beschreibt das Verb „to manage“ in seiner ursprünglichen Bedeutung auch, „[das Gelingen] ein[es] Vorhaben[s] [...] [die Beherrschung] ein[es] Werkzeug[es] [...] oder [die] geschickt[e] Bewältigung einer schwierigen Herausforderung“ (Reinmann & Eppler, 2008, S. 13).
Vor diesem Hintergrund werden die Funktionen von „Wissensmanagement“ deutlicher. Es geht hierbei um die Organisation und Handhabe von Wissen mit geeigneten Werkzeugen, um so aufkommende Probleme erfolgreich bewältigen zu können. Dies beinhaltet einerseits die beständige „Generierung von neuem Wissen“, die mit Hilfe von geeigneten Praktiken erleichtert werden soll. Aber auch die „Speicherung und Nutzung von Daten“ fällt unter den Begriff des Wissensmanagements (Wilkesmann & Würmseer, 2007, S. 6). Die Angaben, die vorher neu generiert wurden, sollen nicht nur gespeichert werden, um so einen Wissensverlust vorzubeugen, sondern auch wirklich genutzt werden. Dabei ist es besonders wichtig, die Speicherung so anzulegen, dass jeder die Möglichkeit hat, schnell und einfach die nötigen Daten abzurufen. Das erleichtert die Nutzung oder macht sie überhaupt erst möglich.
Dies betrifft bereits den Bereich der „Wissensteilung“, die im Wissensmanagement-Modell nach Probst eines der zentralen Elemente im Wissensmanagement-Prozess darstellt (vgl. Hube, 2005, nach Probst et al., 1998). Wissensteilung beruht auf Wechselseitigkeit. Das Wissen eines Einzelnen soll sozialen Einheiten zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig sollen Individuen von der kollektiven Wissensgrundlage größerer sozialer Einheiten profitieren und damit ihr eigenes Wissen erweitern. Das Ziel ist ein wechselseitiges Zusammenspiel zwischen Individuum und Kollektiv. Damit dies reibungslos gelingt, ist es von Nöten, dass jede Seite die andere beachtet und berücksichtigt. So müssen soziale Einheiten das Wissen und Lernen einzelner Personen ebenfalls fördern. Im Gegensatz dazu sollen Individuen die organisationalen bzw. strukturellen Bedingungen für kollektive Lernprozesse optimieren. Wird Wissensteilung in diesem Sinne entworfen, werden der Austausch von Erfahrungen, aber auch Kooperationen möglich, „in denen durch das Wissen aller Beteiligter Synergien entstehen“ (Reinmann-Rothmeier, 2003, S. 2). Gleichzeitig kann so auch Wissen auf effiziente Weise verbreitet werden.
Ursprünglich wurden besagte Methoden zur Wissensweitergabe im betriebswirtschaftlichen Bereich entwickelt, um die Effizienz von Unternehmen zu steigern und höhere Gewinne zu erzielen (vgl. Reinmann-Rothmeier, 2003, S. 2-3).
An Universitäten, die sich nicht in der freien Marktwirtschaft behaupten müssen, gibt es auch zumindest einen guten Grund für den Einsatz entsprechender Maßnahmen: Bologna.
Zehn Jahre später…
Die größte Studienreform nach dem Zweiten Weltkrieg hatte viele schwerwiegende Folgen für die betroffenen Studierenden. Mit der Vereinheitlichung der Studiengänge auf europäischer Ebene und der Einführung von Leistungspunkten gingen nicht nur die Steigerung des Konkurrenzdrucks und der Profilverlust des Bachelor-Studiums einher (vgl. Frößinger, 2010).
Unter der Komprimierung der Regelstudienzeit von vier auf drei Jahre leiden auch die Lerninhalte und die Qualität des Lehrangebots und die Studierenden werden mit immer größerer Arbeitsbelastung konfrontiert. Überforderung und Stress sind dabei nur zwei der vielen möglichen Folgen.
Wissensteilung kann bei einem Großteil dieser Probleme Abhilfe schaffen. Hierzu muss jedoch zuerst gesagt werden, dass sie durchaus kein völlig neues Phänomen darstellt und bereits in der ein oder anderen Form an Universitäten zu finden ist.
Einerseits findet Wissensteilung statt, wenn sich die Beteiligten face-to-face, also in der Realität, treffen und gemeinsam ihr Wissen austauschen. Dies geschieht zum einen in einem „top-down“-Prozess, wo Studierende höheren Semesters in Tutorien, Workshops oder von Fachschaften organisierten „Hütten“ ihr eigenes Wissen an unerfahrene Studierende niedrigeren Semesters weitergeben. Die Neulinge nehmen es auf, entwickeln es weiter und teilen es später mit der nächsten Generation. Ähnlich ist es bei universitätsübergreifenden Projektgruppen. Hier lernen die unerfahrenen Studierenden Strukturen, Vorgänge und Prozesse kennen. Nach einiger Zeit werden diese dann selbst zu Lehrenden, die ihr erlerntes Know-How an unerfahrene Teilnehmer weitergeben.
Ebenso gibt es aber auch Wissensteilung, die bereits mit Hilfe des Internets erfolgt. Dabei stellen einige Lehrstühle und Einrichtungen den Studierenden eigene Online-Lern-Plattformen (wie StudIP) zur Verfügung, die ihnen ermöglichen, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten und im Netz eine kollektive Wissensgrundlage in Form eines Wikis oder eines Blogs aufzubauen. Jeder steuert sein Wissen bei und hilft somit den anderen, neue Aspekte oder bisher unbekannte Informationen zu entdecken. Dadurch entsteht ein umfassendes und vielseitiges Wissensprodukt, das jedem Beteiligten von Nutzen ist.
An diesen Beispielen erkennt man sehr schnell, dass Wissensteilung bisher meist nur in kleinen Kreisen erfolgt, also fach- oder studiengangsintern. Dies ist manchmal angebracht und ausreichend. Allerdings kann diese Form des Wissensmanagements auch sehr unorganisiert und unterschiedlich ablaufen, abhängig von den Teilnehmern und Betreuern/Dozenten. Organisierte, übergreifende bzw. übergeordnete Maßnahmen, die alle Bereiche der Universität oder alle Teilnehmer einer Veranstaltung effektiv einbeziehen, gibt es hingegen kaum. Dabei wäre eine derart ausgeprägte Wissensteilung gerade an Universitäten zu erwarten.
Wissensteilung wider Willen?
Universitäten sind sogenannte Wissensorganisationen, die darauf abzielen, „Wissen zu generieren [,] […] zu dokumentieren, zu katalogisieren und […] weiterzugeben“ (Reinmann-Rothmeier, 2003, S. 3). Gewinn zu erwirtschaften spielt hingegen eine untergeordnete Rolle. Dieses übergreifende Ziel findet sich auch bei den einzelnen Wissenschaftlern. Sie forschen (und lehren) in erster Linie, um Aufmerksamkeit und Ansehen von anderen Wissenschaftlern, der sogenannten Scientific Community, zu erhalten. Dies ist für sie bedeutender als beispielsweise materielle Anreize, weil der Verlauf ihrer Karriere letztendlich stark von ihrer Stellung in der Scientific Community beeinflusst wird (vgl. Willkesmann & Würmseer, 2007, S. 7-8; vgl. Reinmann-Rothmeier, 2003, S. 7).
Durch entsprechende Spezialisierung profilieren sich die Lehrenden seit jeher in dieser Gemeinschaft. Mit der Einführung schwerpunkt-orientierter Master-Grade hat diese Entwicklung auch bei den Studierenden Einzug gehalten. Die gegenseitige Abgrenzung auf beiden Ebenen ist jedoch nicht nur positiv zu sehen, denn die daraus resultierende Wissenskluft zwischen einzelnen Personen ist ein Faktor, der die Kommunikation untereinander erheblich erschwert, sofern er nicht berücksichtigt wird (Hube, 2005, S. 88-89).
Hierbei müssen auch die „unterschiedliche[n] fachliche[n] Kulturen mit eigenen überlieferten Erkenntnissen, Fachsprachen und Bedeutungen, wissenschaftlichen Arbeitsformen, Normen und Werten, Rollen und Spielregeln“ (Reinmann-Rothmeier, 2003, S. 4) genannt werden, die sich nicht nur unter den Lehrenden, sondern auch unter den Studierenden etabliert haben.
Zudem steht die Wissensteilung unter den Studierenden vor einer besonderen Herausforderung, denn sie sind aus Schulzeiten in der Regel daran gewöhnt, sich Wissen in einer hierarchischen Struktur anzueignen, d.h. von ihren Eltern, Lehrern, etc. und eben nicht von Ihresgleichen (vgl. Willke, 2001, S. 41-42).
Eine weitere Wissensbarriere ist der scheinbar gefühlte Konkurrenzdruck, der dazu führt, dass „jeder […] für sich [lernt] und gegen die anderen“ (Willke, 2001, S. 50). Weiterhin kommt es oft vor, dass in Seminaren zwar in kleinen Gruppen zusammengearbeitet wird, die jedoch wiederum versuchen, die vergleichsweise beste Leistung zu erbringen. Ebenso könnte man behaupten, dass jeder für sich selbst und damit auch des Öfteren gegen die anderen forscht.
Wie der Konkurrenzdruck sind auch Verlustängste eine große Hürde für Kommunikation und Wissensteilung, da Studierende und Wissenschaftler gleichermaßen persönliche, schulische und berufliche Nachteile fürchten, wenn sie ihre Ideen und ihr Wissen an andere weitergeben (vgl. Reinmann-Rothmeier, 2003, S. 5).
Drei Schritte zum Glück
Offensichtlich gibt es zahlreiche und sehr unterschiedliche Gründe dafür, dass Wissensteilung an Universitäten nicht reibungslos funktioniert. Das Gesamtkonzept, das im Folgenden vorgestellt werden soll, ist in drei Teile gegliedert: Die Einfühurng kollaborativen Lernens, die Heranführung an das wissenschaftliche Arbeiten und die Schaffung einer Orientierungshilfe in der Wissensumwelt. Alle dienen der „Schaffung und Nutzung neuer Spielräume für Dialog und Ideenaustausch“ (Reinmann-Rothmeier, 2003, S. 8), konzentrieren sich jedoch jeweils auf unterschiedlichen Ebenen, deshalb können sie nicht nur als Ganzes, sondern je nach Ausgangssituation auch getrennt voneinander angewandt werden.
1. Einer für alle
Der erste Teil unseres Konzepts setzt am Bologna-bedingten Konkurrenzdruck und der hohen Lernstoff-Konzentration an (vgl. Willke, 2001, S. 50; Strobel, 2009, S. 3) und unterstützt Studierende, die gemeinsam eine Vorlesung bzw. ein Seminar besuchen bei der Klausurvorbereitung.
Zwei Wochen vor dem Prüfungstermin wird ein Dokument erstellt, auf das alle zugreifen können, z.B. mit „Google docs“. Anschließend werden alle für die Klausur wichtigen Unterlagen, z.B. Vorlesungsfolien, Readertexte, Bücher, Podcasts, Filmmaterial, gerecht auf die Teilnehmer der Veranstaltung aufgeteilt. Jeder einzelne erhält die Aufgabe, das ihm zugeteilte Material allgemeinverständlich zusammenzufassen und sein Resümee schließlich im Dokument zu speichern. Je nach Umfang der Lerninhalte sollten Themen auch mehrfach vergeben werden, sodass eine gegenseitige Kontrolle gewährleistet ist.
Zusätzlich dazu ist es sinnvoll, Übungsklausuren oder Prüfungen aus den Vorjahren hochzuladen und gemeinsam eine Art „Musterlösung“ zu erarbeiten. Beide Fälle bieten eine optimale Grundlage für angeregte Diskussionen darüber, was denn nun richtig bzw. relevant ist. Dadurch tritt das bloße Auswendiglernen in den Hintergrund und die Teilnehmer setzen sich intensiver mit dem Stoff auseinander.
Die Motivation für die Partizipation ist in diesem Fall, das heißt bei der ersten, kurzfristigen Anwendung der Methode, klar ersichtlich: Es handelt sich hauptsächlich um die wohl jedem Studierenden bekannte „Klausurpanik“. Versetzt man sich in die Rolle eines Seminarteilnehmers, der 14 Tage vor der Klausur feststellt, dass er zu wenig gelernt hat, fällt die Entscheidung zwischen „20 Texte lesen“ und „einen Text lesen und im Google doc mitarbeiten“ denkbar leicht.
Aufgrund dessen ergeben sich durch den ersten Schritt zwei grundlegend positive Effekte. Einerseits lernen Studierende, dass Wissensteilung und kollaboratives Lernen sehr zeitsparend ist. Andererseits wird ihnen bewusst, dass sie auf die Unterstützung ihrer KommilitonInnen bauen können und erkennen deren Mitarbeit als wertvoll an.
Tapscott und Williams (2010) kommen in ihrem Artikel „It's Time! Innovating the 21st-Century Univerity“ zu einem ähnlichen Ergebnis und stellen fest, „when students get engaged [in study groups], they take a greater interest and responsibility for their own learning“ (S. 20). Weiterhin fordern sie, dass das klassische Konzept der Pädagogik, also das Lernen „von oben“, gänzlich durch kollaboratives Lernen ersetzt werden soll (vgl. ebd., S. 18).
Um die Umsetzbarkeit aller drei Schritte zu gewährleisten, wurde hier eine weniger ruckartige Variante gewählt. Sie setzt anfangs ausschließlich auf die Flexibilität der Studierenden und betrifft erst im weiteren Verlauf Lehrende und universitäre Rahmenbedingungen.
2. Das Glücksprinzip
Der zweite Schritt hin zur wünschenswerten Wissensteilung beginnt an einem ähnlichen Brennpunkt im Studienalltag nach Bologna. Während Studierende von Prüfung zu Prüfung hetzen, neigen sie dazu, sich beim Lernen auf das Nötigste zu beschränken und nicht über ihren Schreibtisch hinauszublicken. Infolgedessen kennen sie sich nur mit bestimmten Teilgebieten ihres Fachs aus und haben keinen Überblick über die thematische Breite ihres Studienganges sowie aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen (vgl. Schnurr, S. 1). Schnurr gesteht ein, dass man nicht von den Professoren verlangen kann, den Studierenden einen Blick hinter die Powerpoint zu gewähren, indem sie sie persönlich und direkt in die Scientific Community einführen (vgl. ebd., S. 1-2).
Die Studierenden müssen sich daher eigenständig in zunehmendem Maße für die Wissenschaft engagieren, eigene Ideen verwirklichen und nicht nur Stoff auswendig lernen und fremde Erkenntnisse widergeben. Das Problem hierbei ist die Annäherung an das wissenschaftliche Arbeiten. Bachelor-Studierende unter der Bologna-Reform wissen oft selbst am besten, dass das Verfassen des ersten Essays einem „Sprung in's kalte Wasser“ gleicht, da kurze Tutorien zu Beginn des ersten Semesters keinesfalls genügen, um die nötigen Kenntnisse zu erlangen.
Die Lösung, die einen leichteren Einstieg in das wissenschaftliche Arbeiten ermöglichen soll, ist an den Film „Das Glücksprinzip“ angelehnt. Das Prinzip basiert auf der Bereitschaft, einem Menschen etwas Gutes zu tun, aber nur unter der Bedingung, dass er wiederum drei anderen Personen etwas Gutes tut. Genau dies wird für das Gegenlesen von Essays und Hausarbeiten übernommen und als Kernelement in ein Tutorium integriert wird. Im ersten Semester ist jeder Studierende verpflichtet, diese Veranstaltung zu besuchen und erhält für den Workload zwei Leistungspunkte (ECTS Credit-Points). Er lernt, wie man recherchiert, zitiert und schreibt, und zusätzlich, wie man richtig Feedback gibt. Als eine Art „Prüfungsleistung“ ist es abschließend seine Aufgabe, die Hausarbeiten von drei Kommilitonen höheren Semesters gegenzulesen und ihnen Feedback zu erteilen. Als Gegenleistung wird er ebenfalls Feedback für eine seiner zukünftigen wissenschaftlichen Arbeiten erhalten. Bei gleichbleibender Teilnehmerzahl wird er sogar die Möglichkeit haben, entweder mehrere Rückmeldungen zu einer Arbeit zu bekommen, oder aber je eine für mehrere Hausarbeiten.
Die Bewertung von wissenschaftlichen Arbeiten durch „ebenbürtig[e] und gleichrangig[e] Personen“ (Reinmann, Sippel & Spannagel, 2010, S. 218) wird in der Praxis als „Peer Review“ bezeichnet und wurde bei der Entstehung dieses Artikels ebenfalls angewandt.
Diese der endgültigen Benotung vorgeschaltete Einschätzung eines wissenschaftlichen Werkes und die zwei Leistungspunkte sind jedoch nicht die einzigen Vorteile. Es werden zudem der Dialog unter den Studierenden sowie die Transparenz des Lehrstuhls bei der Notenvergabe gefördert. Die Studierenden setzen sich nicht nur mit dem wissenschaftlichen Arbeiten, sondern auch mit wissenschaftlichen Arbeiten auseinander und beschäftigen sich (wie zufällig) nebenbei mit der dazugehörigen Fachliteratur.
Sie erfahren von aktuellen Ergebnissen, erlangen einen Überblick über Hintergründe ihres Studiums und eventuell sogar Anregungen für eigene zukünftige Projekte.
3. Das gemeinsame Ziel
Die dritte Komponente des Konzepts soll die studiengangs- und universitätsübergreifende Verteilung von Informationen und Publikationen sowie deren Zugänglichkeit erleichtern. Dies wäre zum Beispiel mit einem erweiterten Kontaktnetz bzw. einer Wissenskarte zu bewerkstelligen, die ähnlich der interaktiven Karte von Kerres (2009) aufgebaut ist. Das Ziel einer solchen Karte ist es, die materielle und die personelle Wissensumwelt einer oder mehrerer Personen in Form einer tatsächlichen Landkarte zu visualisieren. Statt Orten sind auf dieser sowohl Bücher, Publikationen und Websites („Wo steht was?“) als auch Professoren und Projektgruppen („Wer weiß was?“) als Wissensträger verzeichnet (vgl. Reinmann & Eppler, 2008, S. 129-133). Dadurch bietet sie Orientierung bei der Wissenssuche und beim Finden von Ansprechpartnern und vereinfacht die zielgerichtete Verbreitung eigener wissenschaftlicher Arbeiten.
Systeme, in denen bereits Wissensteilung stattfindet, z.B. Bibliotheken, Websites von Lehrstühlen und E-Journals, sollten hierbei besondere Beachtung geschenkt werden (vgl. Reinmann-Rothmeier, 2003, S. 6). Durch die Kategorisierung aller Inhalte anhand gemeinsamer Schlagworte, sogenannter Tags, könnte man diese untereinander und mit der Karte verbinden. Somit würden thematische Gemeinsamkeiten und Schnittstellen sichtbar und vor allem nutzbar gemacht. Einfach ausgedrückt ist es eine Art Navigationssystem für die Wissensumwelt, das orientierungslosen den Weg zur nächsten „Wissenstankstelle“ weist. Gehen wir beispielsweise von einem Studierenden aus, der diesen Artikel gelesen hat, der im Studiengang Medien und Kommunikation entstanden und mit dem Tag „Wissensmanagement“ versehen ist, und sich weiter über die Thematik informieren möchte. Im hier vorgestellten System müsste er nur auf das Schlagwort klicken, würde die verschiedenen Teilbereiche der Universität, die sich mit Wissensmanagement beschäftigen, aufgezeigt bekommen und möglicherweise auch auf ein betriebswirtschaftliches E-Journal verwiesen werden.
Voraussetzung hierfür ist die Einführung entsprechender Plattformen in allen Fachbereichen, die hiermit ausdrücklich befürwortet wird.
Neben der Erweiterung des eigenen Wissens teilen sich Professoren und Studierende einen zusätzlichen Anreiz für die Teilnahme: Die Aussicht auf Anerkennung der eigenen Leistung. Es besteht schließlich die Chance, dass eine mit der Allgemeinheit geteilte wissenschaftliche Arbeit für gut befunden oder sogar zitiert wird.
Wissensteilung geglückt.
Sei es durch Anerkennung, eine zweite Meinung, Interesse oder einfach nur die Linderung der Arbeitsbelastung - Studierende können einander mehr helfen, als ihnen bewusst ist. Das Glücksprinzip funktioniert. Es ist möglich, dass sie ihre persönliche und materielle Wissensumwelt durch ihr Schaffen bereichern und verbessern, indem sie sich zusammenschließen und Aufgaben lösen, die sie alleine nie bewältigen könnten.
Man kann versuchen, ihnen dies bewusst machen, indem man entsprechende Umgebungen zur Wissensteilung schafft, den letzten Schritt zum Glück müssen sie jedoch selbst gehen. Sie müssen erkennen, dass die Welt nicht so unbarmherzig und anteilnahmslos ist, wie sie erscheint. Bologna ist schließlich, optimistisch betrachtet, auch nur eine organisationale Bedingung, die Wissensteilung fördert.