Fink, J.; Fürstenberger, S.; Gehl, H., Georgiev, I.; Sisto, C. & Wildgruber, M. (2008). Learning Management Systeme (LMS). w.e.b.Square, 07/2007. URL: http://websquare.imb-uni-augsburg.de/2007-07/2.
E-Learning ist im Kommen – auch in der freien Wirtschaft. Learning Management Systeme helfen dabei, „elektronisches Lernen“ sinnvoll einzuführen. Der Beitrag gibt einen systematischen Überblick über die technische Infrastruktur des E-Learning. Dabei werden zunächst webbasierte Lernplattformen behandelt und anschließend einige Aspekte von LMS dargestellt. Der Artikel gibt nicht nur einen kurzen Einblick in die Funktionsweise von LMS, sondern zeigt auch Modelle zur Auswahl von Lernplattformen und deren didaktischen Einsatz auf.
„Unter einer webbasierten Lernplattform ist eine serverseitig installierte Software zu verstehen, die beliebige Lerninhalte über das Internet zu vermitteln hilft und die Organisation der dabei notwendigen Lernprozesse unterstützt." (Baumgartner et al 2004: 95ff)
Die Kernaufgaben einer solchen Lernplattform (darunter fallen auch LMS) sind das Management von komplexen Aus- und Weiterbildungsangeboten, Kursen, Lehrmaterialien und Kursteilnehmern. Webbasierte Lernplattformen stellen somit die technische Infrastruktur für E-Learning dar.
Eine Lernplattform verfügt über fünf grundlegende Funktionsbereiche:
► Präsentation von Lerninhalten (Learning Content)
► Werkzeuge zur Erstellung von Aufgaben und Übungen
► Evaluations- und Bewertungshilfen (Assessment)
► Administration/Management (von Lernenden, Lehrer/innen, Inhalten, Kursen, Lernfortschritten, Terminen etc.)
► Kommunikationswerkzeuge (synchron und asynchron).
Es werden zusätzliche Features bereitgestellt. Diese...
► ... unterstützen Tätigkeiten, die dem eigentlichen Lernprozess vor- oder nachgestellt sind (z.B. Bildungsbedarfsermittlung, Bildungserfolgskontrolle und Skill-Management)
► ... unterstützen die Kommunikation (z.B. zwischen Lernenden und dem Tele-Tutor)
► ... stellen Werkzeuge zur Erstellung von Lehrmaterialien bereit (Autorenwerkzeuge).
Die Anforderungen an eine webbasierte Lernplattform ergeben sich zum einen aus ihren ursprünglich zugedachten Aufgaben. Dazu gehören das Management von komplexen Aus- und Weiterbildungsangeboten, Kursen, Lehrmaterialien und Kursteilnehmern.
Darüber hinaus lassen sich aufgabenunabhängige und somit übergeordnete Anforderungen definieren:
► leichte Erweiterbarkeit und Skalierbarkeit der Lernplattform, offene Architektur
► Orientierung an internationalen Standards
► Kompatibilität zu Human-Ressource-Management-Systemen
► Unerstützung eines konsequenten Rollenkonzepts
► Modularer Aufbau (schrittweise Einführung der Lernplattform)
► Einklang mit rechtlichen Bestimmungen (Datenschutzgesetz)
► Einbindung in die Aus- und Weiterbildung.
Die Nutzer der Lernplattformen haben unterschiedliche Informations- und Nutzungsbedarfe. Aus diesem Grund sollte dem LMS ein konsequentes Rollenkonzept zu Grunde liegen. Typische Rollen sind:
► die Lernenden, die in erster Linie die Zielgruppe der Plattform sind,
► Personalentwickler/-manager, die Bildungsmaßnahmen planen,
► Administratoren, die für die technische Betreuung der Seite verantwortlich sind,
► Dozenten/Lehrende, die die Verantwortung für einzelne Kurse tragen und zugleich auch das Lehrmaterial zusammenstellen
► Tutoren/Betreuer, die für die Unterstützung der Dozenten hinsichtlich der Kursbetreuung verantwortlich sind und
► Content-Entwickler/Autoren, die die Lerninhalte medial aufbereiten.
Die Anschaffung einer Lernplattform kann je nach Unternehmen eine große Investition darstellen. Der Markt bietet eine große Auswahl an Plattformen, die sich für die unterschiedlichsten Unternehmensbedürfnisse eignen. Eine sorgfältige Auswahl des Lernplattformanbieters ist deshalb sehr wichtig.
Im Folgenden stellen wir ein Vorgehensmodell vor, das bei der Auswahl einer Lernplattform helfen kann. Man sollte:
1. Ziele des Plattformeinsatzes festlegen,
2. Rahmenbedingungen ermitteln,
3. Anforderungen ableiten (Funktionalitäten: Muss-/Kann-Funktionalitäten)
4. Marktanalysen durchführen,
5. Anforderungen, Funktionalitäten - Merkmale Plattformanbieter, Merkmale Produkte abgleichen und eine
6. Implementierungsstrategie festlegen.
LMS sind die bekanntesten Vertreter des Oberbegriffs der „webbasierten Lernplattformen". Sie werden z.B. in Großbetrieben (u.a. Banken und Versicherungen) eingesetzt, um betriebliche Lernprozesse zu gestalten. Das nennt man auch „Corporate E-Learning". Die Kernfunktionen des LMS sind die Steuerung und Administration der Lehr- und Lernprozesse. Die Lernangebote werden in einer Datenbank verwaltet und den Lernenden zur Verfügung gestellt. Das System folgt dabei dem individuellen Lernprozess (z.B. „Welche Kurseinheiten wurden aufgerufen?", „Welche Testergebnisse wurden erreicht?" etc.) und protokolliert es (Tracking). Die Kommunikation erfolgt während des Lernprozesses über asynchrone Tools, wie Diskussionsforen oder E-Mails. Meist gibt es zusätzliche Schnittstellen, über die ein Datenabgleich mit Enterprise Resource Planner- (ERP) und Human Resources Management (HRM)-Systemen erfolgen kann. Über Schnittstellen können auch Virtual-Classroom-Tools und andere Werkzeuge in die Lernumgebung integriert werden.
In den 1980er und 1990er Jahren stand die Automatisierung administrativer Prozesse in der betrieblichen Weiterbildung im Vordergrund. Ziel war es, die Kosten durch vereinfachte Abwicklung der Anmeldung, der Ressourcenbuchung und der Genehmigung durch Vorgesetzte zu senken.
Seit 1997 werden E-Learning-Angebote über Lernplattformen wie LMS zugänglich gemacht. Dabei ermöglichen die Lernplattformen ein unternehmensweit einheitliches Informations- und Trainingsprogramm, was die Unternehmen zu großen Investitionen anspornte. Es entstand eine Integration des Learning Management Systems in die allgemeine Arbeitsinfrastruktur (Corporate Learning Application). Das Lernen wird also in den Arbeitsprozess eingebettet. Ein weiterer Vorteil ist die steigende Zusammenarbeit von Abteilungen.
Der Herstellermarkt für Lernplattformen und Autorensysteme ist sehr groß und dazu noch dynamisch. Deshalb wird es immer wichtiger, internationale Standards einzuhalten. Fünf Ziele der Standardisierungsbestrebungen sind:
1. Interoperabilität (Zusammenarbeit mit anderen Systemen?)
2. Wiederverwendbarkeit (von Lerninhalten in anderen Zusammenhängen)
3. Verwaltbarkeit (Aufzeichnungen über Inhalte und Lerner?)
4. Zugang (Inhalte aufrufbar?)
5. Nachhaltigkeit (funktionsfähig bei Weiterentwicklung?).
Zurzeit gibt es etwa 250 LMS (ca. 180 bis 200 herkömmliche Systeme und 50 bis 70 sog. „Open-Source-Systeme"). Aufgrund dieser großen Anzahl treten einige Probleme auf: Es fehlt nicht nur der Überblick über den Markt und das Angebot an Systemen; es ist auch äußerst schwierig, die Qualität der Lernplattformen zu beurteilen und ihren Funktionsumfang zu erfassen. Zudem wird eine Einschätzung der Kompatibilität mit den eigenen Bedürfnissen nahezu unmöglich gemacht.
Wichtige Aspekte bezüglich des Einsatzes von Lernplattformen sind:
► die Brauchbarkeit und Nützlichkeit (Usability) des LMS
► die Integration des LMS in die eigene Infrastruktur
► der Support der Systeme und das Training der Lehrpersonen
► die Didaktik, das heißt innovative Lehr-/Lernkonzepte
► das Design didaktischer Szenarien.
Auf dem Markt lassen sich unterschiedliche Arten von Lernplattformen finden: begleitende, ergänzende/integrierte und abwechselnde/ausschließlich virtuelle. Der Inhalt in einem LMS kann verschieden sein: ausschließlich als traditionelles Skript, überwiegend aus interaktiven Übungen oder auch als eine Sammlung von Fallbeispielen, die die Studierenden analysieren müssen.
LMS können auf vielfältige Art und Weise genutzt werden: zum einen für die Verteilung von Aufgaben und das Entgegennehmen der Lösungen der Lernenden. Zum anderen auch für die Kommunikation zwischen den Teilnehmern, den Dozenten und den Studierenden.
Der Kursdesigner, der ein LMS benutzt, hat viele Möglichkeiten die Lernplattform zu gestalten. Der Inhalt des LMS kann:
► aus zu erledigende Aufgaben bestehen,
► aus Fragen bestehen,
► narrative Elemente (Stories) enthalten,
► aus einem Hypertext bestehen, der einen Gegenstand aus multiplen Perspektiven betrachten lässt und
► interaktive Übungen oder Simulation enthalten.
Je nach Art der Realisierung sind unterschiedliche Lernmodelle möglich: Fragen und interaktive Übungen fördern z. B. das entdeckende Lernen, Fallbeispiele und Simulationen das fallbasierte und problemorientierte Lernen.
LMS bieten dem Autor für das Arrangement der Lehrmaterialien einen Fileserver- oder Webserver-Speicherplatz an, in dem er seine HTML-Seiten ablegen kann. Das LMS stellt Navigationsmittel zum Vor- und Rückwärtsblättern zur Verfügung. Dieses Design zeigt aber auch Konsequenzen:
„Die Konstruktionsweise der Lernplattformen ist suggestiv, sie verführt den Autor zu einer sequentiellen Struktur für das Arrangement der Lernmaterialien oder Lernobjekte, die häufig mit der gewohnten Fachsystematik korrespondiert, so wie sie im typischen Lehrbuch vorliegt"(Schulmeister 2003: 11ff)
Rolf Schulmeister ergänzt dazu: „Die meisten Autoren wählen eine expositorische oder instruktionalistische Lehrform wie in einer Vorlesung" (ibidem). Dies tun allerdings die meisten, ohne genau zu wissen, was die Pädagogik zur Sequenzierung von Lerneinheiten und Unterrichtsmaterialien sagt.
Das von Reiser und Gagné entwickelte Instruktionsmodell gliedert die Unterrichtseinheit daher in neun Sequenzen: