Reinmann, G. (2008). 2. w.e.b.Square-Tagung. Grußwort. w.e.b.Square. 01/2009. URL: http://websquare.imb-uni-augsburg.de/2009-01/1
Tagungen werden normalerweise „top down" organisiert: Es gibt Initiatoren und Organisatoren, die im Rahmen einer Hochschule, einer Gesellschaft, eines Verbandes, einer Messe etc. der Meinung sind, zum Thema X oder Y müsse man jetzt eine Tagung veranstalten. Tagungen, die quasi „bottom up" entstehen, die speziell Studierende selbst auf die Beine stellen, sind eher ungewöhnlich, jedenfalls nicht an der Tagesordnung. Vor diesem Hintergrund ist diese zweite w.e.b.Square-Tagung etwas Besonderes und ich möchte ich Sie hierzu alle recht herzlich willkommen heißen.
Das Motto von w.e.b.Square lautet: "von Studierenden für Studierende" und deswegen sind - das sage ich jetzt zu denen, die heute aktiv sind - Ihre Kommilitonen auch die primäre Zielgruppe dieser Tagung. Auch wenn - und das begrüße ich sehr - Lehrende da sind, so ist doch heute Ihre Aufgabe, nicht diesen Lehrenden etwas zu beweisen, sondern interessante Informationen, offene Fragen und zukunftsweisende Themen auf der Studierendenebene zu behandeln, Diskussionen anzustoßen und miteinander ins Gespräch zu kommen.
Das Thema der heutigen Veranstaltung heißt: „Open University oder: die Zukunft der Hochschule". Nun ist die Zukunft der Hochschule natürlich ein sehr weites Thema. Umso wichtiger, aber auch besonders schwierig ist der Zusatz „Open University". Mit dem „Open-Gedanken" knüpft die heutige Veranstaltung an die die letzte Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft - kurz: GMW - an, auf der Themen wie Open Access, Open Content, Open Educational Resources und vieles mehr diskutiert wurden. Heute interessiert vor allem der studentische Blick auf diese Öffnungstendenzen, der auf der GMW doch eher ein wenig zu kurz gekommen ist.
Nun beginnt eine erste „Öffnung" im Universitäts- und Studienalltag bereits auf der Ebene des gegenseitigen Wissensaustausches. Was auf den ersten Blick etwas Selbstverständliches sein mag, stellt sich als eine Anforderung heraus, die gar nicht leicht zu bewerkstelligen ist: Mit wem tausche ich mich überhaupt gerne aus? Was habe ich selbst davon, wenn ich mein Wissen teile? Wie verlässlich ist das Wissen der anderen? Wofür ist man selbst bereits eine Art Experte und welche Expertise haben andere? Verträgt sich Wissensteilung mit Konkurrenzdruck? Ist Wissensteilung in der Lehre und bei den Lehrenden überhaupt erwünscht? Gibt es da Unterschiede in verschiedenen Fächern und Disziplinen?
Ich bin gespannt, ob hier und heute auf diese und andere Fragen Antworten gegeben werden - direkt oder indirekt, ob und wenn ja welche Diskussionen damit angestoßen und inwiefern neue Ideen entstehen können, wie die Idee einer „Open University" überhaupt konkretisiert und umgesetzt werden kann.
Wer noch nie oder auch nur selten auf einer Tagung war, für den ist dieser Rahmen logischerweise neu: Man kann noch nicht genau einschätzen, was es bedeutet, wenn z.B. Zuhörer nach Vorträgen nachfragen: Ist das ein Zeichen dafür, Interesse geweckt zu haben? Oder ist es ein Signal für die Unverständlichkeit des Vortrags? Wollen mich die anderen kritisieren oder einfach nur mehr wissen? Wie viel Kritik ist sinnvoll, muss ich mich verteidigen oder soll ich mich freuen, dass mich jemand mit einer Kritik auf einen neuen Gedanken gebracht hat?
All das muss man sich nicht fragen, wenn man allein am Schreibtisch mit einer Dokumentation oder Hausarbeit eine Veranstaltung abschließt. Das ist also bequemer und weniger aufwändig. Aber es ist eben auch nur einseitig lehrreich: Ich freue mich, dass Sie neben den üblichen Formen des Abschließens eines Semesters bzw. einer Veranstaltung den Schritt wagen, dies heute auf eine ganz andere Art und Weise mit so einer Tagung zu tun.
Dabei ist es nicht das Ziel, alles perfekt zu machen. Es ist das Ziel, genau die Erfahrungen zu machen, die neben dem wissenschaftlichen Schreiben, dem eigenen Forschen und der Rezeption von Wissen eben auch zu einer Universität gehören: sich gegenseitig etwas vermitteln, sich untereinander zuhören, konstruktiv kritisieren, diskutieren und auch mal über eine Sache streiten und dabei Erfahrungen sammeln - die man dann im Idealfall auch wieder mit anderen teilen kann.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und bin gespannt auf die folgenden Stunden.