Sporer, T. (2009). Zurückblicken heißt Vorausdenken: Reflexion. Editorial. w.e.b.Square, 04/2009. URL: http://websquare.imb-uni-augsburg.de/2009-04/1.
„Erkenne dich selbst" empfahl einst nicht nur das Orakel von Delphi seinen Besuchern. Auch heute halten prominente Managementautoren das Bewusstsein über das eigene Wissen sowie die persönlichen Fertigkeiten und Einstellungen für einen zentralen Erfolgsfaktor in allen Lebensbereichen. Peter Drucker etwa weist in seinen Werken immer wieder auf die Bedeutung dieses Selbstwissens hin und hält die Fähigkeit, aus den eigenen Erfahrungen zu lernen, für eine wichtige Schlüsselkompetenz von Führungskräften.
Aber nicht nur in der antiken Philosophie und der modernen Managementlehre kommt dem Begriff der Reflexion eine zentrale Rolle zu. Auch im Bereich der Bildung wird die Rolle der Reflexion von Erfahrungen für das Lernen immer wieder betont. Denn Erlebnisse werden erst durch eine bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Handlungen und dem Feedback der Umwelt zu Erfahrungen mit bildendem Charakter. Besonders in der Literatur zum projektorientierten Lernen findet sich daher neben dem viel zitierten Plädoyer für ein „Learning by Doing" auch die Forderung nach einer Reflexion der Erfahrungen in Projekten.
Dieser Weg von der Erfahrung zum Wissen über die eigenen Stärken und Schwächen ist jedoch häufig mühevoll für Studierende. Am Ende eines Projekts eine Reflexion über ihre Erfahrungen zu schreiben, scheint Studierenden schwerer zu fallen, als eine Hausarbeit über ein Fachthema zu verfassen, aus dem die eigene Person herausgehalten werden kann. Einen Text zu schreiben, der in der ersten Person die Beziehung zum Gegenstand des Projekts, das eigene Verhalten in der Projektgruppen und die Bedeutung der Erfahrungen im Projekt für die eigene Identitätsbildung reflektiert, wird selten an Schulen und Hochschulen gelehrt.
Im Rahmen des Studienangebots „Begleitstudium Problemlösekompetenz" fördern wir daher die Reflexion der Erfahrungen von Studierenden in studienfachnahen Projekten. Studierende machen in einer Projektgruppe ihres persönlichen Interesses mit und reflektieren über ihre Mitarbeit in dem Projekt. In einem Tagebuch halten sie im Verlauf des Projekts ihre Gedanken zu den wichtigsten Ereignissen fest, und in einem abschließenden Bericht blicken sie am Ende eines Semesters noch einmal auf ihre persönliche Lerngeschichte in dem Projekt zurück.
Diese w.e.b.Square-Ausgabe soll einen Einblick in die Reflexionen von Studierenden über die Projektarbeit im Rahmen des Begleitstudiums geben. Es handelt sich um besonders gelungene Reflexionen von Studierenden mit Beispielcharakter. Sie zeigen anschaulich, was durch die Mitarbeit in selbstorganisierten Projekten von Studierenden gelernt werden kann. Zudem sollen sie verdeutlichen, dass extra-curriculare Projekte im Umfeld von Hochschulen lebendige Lernorte darstellen, in denen Studierende wichtige Kompetenzen für das Leben nach ihrem Studium erwerben.