Sippel, S. & Florian, A. (2008). Die Bedeutung von Feedback im Blended Learning. Optimierung eines Feedback-Instruments in der Veranstaltung „Einführung in die qualitative Sozialforschung“. w.e.b.Square. 01/2008. URL: http://websquare.imb-uni-augsburg.de/2008-01/4
Bei der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen steht Feedback schon länger im Fokus der pädagogischen Diskussion. Dabei kann Feedback in verschiedenen Formen vorkommen und mit verschiedenen Intentionen praktiziert werden. Als Folge der Umstellung des deutschen Studiensystems auf Bachelor- und Masterstudiengänge und dem damit einhergehenden Anstieg benoteter Leistungsnachweise wird überdies dem Zusammenhang von Feedback und Assessment vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Insgesamt sind lernförderliche Effekte von Feedback jedoch von vielfältigen Einflussfaktoren abhängig. Im Zusammenhang damit wird zunehmend die Rezeption des Feedbacks durch die Studierenden untersucht. Hierbei werden auch die Rahmenbedingungen des Lehr-/Lernsettings berücksichtigt. In diesem Beitrag wird hierzu Blended Learning als hybrides Lernarrangement näher beleuchtet. Durch den Medien- und Methodenmix mit Anteilen elektronisch gestützter Lernformen stellen sich spezifische Anforderungen an die Feedback-Gestaltung. Diese Überlegungen werden konkretisiert anhand der Veranstaltung „Einführung in die qualitative Sozialforschung", einem Blended Learning-Angebot der Professur für Medienpädagogik an der Universität Augsburg.
Dass Feedback1 für den Lernprozess unerlässlich ist, ist eine Feststellung, die nicht neu ist2. Krause, Stark und Mandl (2003) betonen, dass Feedback aus Sicht der Pädagogik und Psychologie ein wichtiger Bestandteil von Lehr-Lernprozessen ist - auch in motivationaler Hinsicht (vgl. Astleitner, 2002, S. 71). In einer Lernsituation gibt Feedback z. B. Aufschluss darüber, wie nah der Lernende an der Erreichung der Lernziele ist, was ihm ermöglicht, seine Selbsteinschätzung zu überprüfen (Krause, Stark & Mandl, 2003, S. 10). Während die Anfänge der Feedback-Forschung noch auf der behavioristischen Annahme beruhten, der Lernprozess sei durch äußere Verstärkung (vgl. z.B. Skinner, 1973) zu steuern, so betrachten kognitivistische Ansätze Feedback als Informationsquelle, die dem Lerner einen Abgleich zwischen Ist- und Soll-Zustand ermöglicht. Die Variationsbreite ist allein in diesem Bereich sehr groß, da unter kognitivistisch orientiertes Feedback sowohl Feedbacks fallen, die erklären, warum eine Lösung richtig oder falsch ist, als auch elaborierte Feedbacks, die individualisierte Informationen zur Lern- und Lösungsstrategie bereit stellen (vgl. Narciss, 2006, S. 23).
Neben dieser inhaltlichen Differenzierung von Feedback-Formen lässt sich auch eine Unterscheidung hinsichtlich des übergeordneten Feedback-Zwecks treffen. Dient das Feedback primär dazu, eine durch den Studierenden erzielte (abschließende) Leistung zu bewerten (bzw. die Bewertung zu rechtfertigen), so erfüllt Feedback einen summativen Zweck; wird Feedback hingegen während des Lernprozesses gegeben und bietet Studierenden dadurch die Möglichkeit zur kontinuierlichen Verbesserung, so erfüllt Feedback einen formativen Zweck (Värlander, 2008, S. 149). An dieser Stelle wird die enge Verknüpfung von Feedback mit dem Assessment3 innerhalb von Lehr-Lern-Settings deutlich. Auch die Funktion eines Assessments kann summativ (also ausschließlich bewertend) oder formativ (mit dem Ziel, den Lernprozess zu fördern) sein4. Brown (2004) erklärt, dass Feedback die Größe im Lernprozess ist, über die am ehesten beeinflusst werden kann, ob ein Assessment lernförderlich für die Studierenden ist (ebd., S. 84).
Die Frage, wie so ein lernförderliches Assessment bzw. Feedback realisiert werden kann, ist allerdings nicht eindeutig zu beantworten. Einen Grund dafür sehen Knight und Yorke (2003) in der Vielfalt der Perspektiven und Anknüpfungspunkte an dieses Thema. So hängt die Gestaltung (formativen) Feedbacks u.a. ab von den Eigenschaften der Dozenten und Studierenden, den Strukturen und Spezifikationen der Studieninhalte sowie den didaktischen und organisatorischen Rahmenbedingungen der Lehr-Lern-Situation (ebd., S. 136). Eine besondere Herausforderung stellt die Ermöglichung eines „Assessment for Learning" (vgl. Brown, 2004) in Lernsituationen dar, in denen Lernprozesse von den Studierenden weitgehend selbstgesteuert und ohne kontinuierlichen (face-to-face) Kontakt mit dem Lehrenden organisiert werden müssen. Dies ist z.B. im E-Learning und im Blended Learning der Fall.
Um diese Überlegungen auf Blended Learning und damit zusammenhängend auf E-Learning zu beziehen, wird nun zunächst auf diese beiden Konzepte knapp eingegangen. Dabei ist zu konstatieren, dass der Begriff des E-Learnings eher unscharf ist und nach wie vor keine allgemeingültige Definition hierzu existiert (Dichanz & Ernst, 2001, S. 4). E-Learning soll daher als Sammelbegriff für jegliche Art elektronisch vermittelten Lehrens und Lernens verwendet werden. Mit E-Learning werden zwar etliche Vorteile verbunden, etwa ein orts- und zeitunabhängiger Zugang zu Lernmaterialien sowie die Möglichkeit des individualisierten Lernens, gleichzeitig wird aber betont, dass mit E-Learning hohe Anforderungen einhergehen, beispielsweise im Hinblick auf die Selbstlernfähigkeit der Teilnehmenden (Kerres, 2003, S. 6). Ein Problem ergibt sich auch daraus, dass bei E-Learning häufig eher techniklastige als mediendidaktische Überlegungen im Vordergrund stehen (vgl. z. B. Schulmeister, 2006). Darüber hinaus konnte Bürg (2005) aufzeigen, dass ein wesentliches Element für den Erfolg von E-Learning dessen Akzeptanz darstellt, wobei neben personalen und technischen auch organisatorische Faktoren sowie Merkmale der Lernumgebung eine Rolle spielen.
Um hieran anzusetzen, wird E-Learning häufig mit anderen Komponenten in ein didaktisches Arrangement eingebettet. Dadurch entsteht ein Blended Learning-Szenario, welches herkömmliche Ansätze zur Gestaltung von Lehr- und Lernumgebungen ergänzt und erweitert (Sauter & Sauter, 2002). Gleichwohl gibt es noch kaum ein einheitliches Begriffsverständnis hiervon. Nach Reinmann (2005, S. 103) gilt deshalb Blended Learning „[...] als konsensfähiges Etikett für Lehr-/Lernkonzepte [...], die E-Learning-Elemente mit Präsenzlernen sowie verschiedene Methoden miteinander kombinieren." Wichtig ist laut Mandl und Kopp (2006, S. 8), dass bei diesen Überlegungen der Lernende in den Mittelpunkt rückt, was darüber hinaus eine bestimmte Auffassung von Lernen impliziert. Jedenfalls sind mit Blended Learning vielfältige Varianten im Rahmen hybrider Lernarrangements sowie ein Medien- und Methodenmix angesprochen.
Geht es nun um die Gestaltung von Feedbackprozessen innerhalb solcher E-Learning- bzw. Blended-Learning-Szenarios, gilt es zunächst, sich durch einen Berg behavioristisch orientierter Literatur zu kämpfen, die sich mit der Gestaltung automatisierter Feedbacks in Computer-Based-Trainings (CBT) befasst. Für den Erwerb von Fakten- und Konzeptwissen (oder z.B. auch Vokabellernen) ist dieser Ansatz auch heute durchaus noch relevant, wenn es aber um das Erlernen komplexerer Inhalte und Prozesse oder den Erwerb übergreifender Kompetenzen geht, greift diese Steuerungslogik zu kurz (vgl. Krause, Stark & Mandl, 2003). Hier ist informatives, elaboriertes Feedback anderen Feedbackformen überlegen. Druhmann (2007, S. 24-26) erläutert die Vor- und Nachteile eines informativen tutoriellen Feedbacks in Blended-Learning-Szenarien und die speziellen Herausforderungen, die bei der Gestaltung aufgrund der besonderen Rahmenbedingungen einhergehen. Als zentrale Punkte betrachtet er die Gefahr von Missverständnissen zwischen Lehrenden und Lernenden aufgrund fehlender para- und nonverbaler Signale (bei schriftlichem Feedback); den hohen Arbeitsaufwand für das Verfassen solcher individualisierten Rückmeldungen seitens der Lehrenden und die zeitliche Verzögerung der Rückmeldung - mitsamt der Frage, ob Feedback trotz Verzögerung noch relevant für die Lerner ist. Gerade diesem letzten Punkt, nämlich ob Feedback überhaupt von den Lernenden als relevant eingeschätzt wird und wenn ja, wie es tatsächlich genutzt wird, sollte aus einer konstruktivistischen Perspektive heraus verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden. Denn die Wirklichkeit ist für den Menschen nicht objektiv erfassbar, sondern jede Wahrnehmung das Ergebnis subjektiver Interpretation ist. Mit dieser Erkenntnis rückt der Fokus in der Feedback-Forschung etwas ab von der Gestaltung „idealen Feedbacks" hin zu der Frage, ob und wie Studierende Feedback rezipieren und wie die Rahmenbedingungen so gestaltet werden können, dass eine Nutzung im intendierten Sinne wahrscheinlich wird. Mit dieser Frage im Hinterkopf wurden die Evaluation und Neugestaltung des Feedbackprozesses in der Veranstaltung „Einführung in die qualitative Sozialforschung" initiiert.
Nachdem theoretische Überlegungen zum Feedback beim Blended Learning diskutiert wurden, soll in diesem Abschnitt anhand eines konkreten Praxisbeispiels veranschaulicht werden, inwieweit Aspekte hiervon im Grundkurs „Einführung in die qualitative Sozialforschung" realisiert worden sind. Die chronologische Entwicklung dieser Veranstaltung lässt sich knapp skizzieren: Das didaktische Konzept wurde von Gabi Reinmann erstellt und die Lehrtexte von Doktoranden im Frühjahr 2005 erarbeitet. Das Seminar wurde dann immer wieder evaluiert, zwischenzeitlich zudem mittels eines Onlinebarometers in der E-Learning-Umgebung (zum Onlinebarometer siehe Reinmann, Vohle & Zange, 2006). Dabei kam es zu diversen Modifikationen, etwa einer Revision des Readers im Sommer 2006 (inklusive einer Anpassung des Feedbacks) oder der Entwicklung eines neuen Kriterien-Rasters für das Feedback und die Bewertung der Partneraufgaben aufgrund der in diesem Text vorgestellten Studie im Frühjahr 2008.
Im Hinblick auf die Inhalte und den Aufbau des Grundkurses lässt sich zunächst festhalten, dass die „Einführung in die qualitative Sozialforschung" wie erwähnt auf einem selbst erstellten Lehr-/Studientext basiert, worin in fünf Bausteinen die theoretischen Grundlagen dargestellt werden. Darin wird eingangs auf die Grundzüge qualitativen Forschens eingegangen (z. B. auf die spezifischen Gütekriterien), sodann werden Erhebungs- und Auswertungsmethoden behandelt. Anschließend wird betrachtet, welche Forschungsdesigns möglich sind, um abschließend die Vor- und Nachteile der qualitativen Sozialforschung (inklusive einiger weiterführender Überlegungen) zu reflektieren. Dieser Basistext wird ergänzt durch Lehrbuch-Literatur (vor allem Flick, 2007; Lamnek, 2005; Mayring, 2002) und Internet-Quellen (z.B. eine Zusammenfassung der qualitativen Methoden nach Mayring unter: http://www.uni-koeln.de/phil-f..., zuletzt 01.08.2008).
Der Studientext und die begleitenden Informationen sind der Hintergrund für insgesamt drei narrativ eingebettete Partneraufgaben innerhalb der Veranstaltung, die das „didaktische Herz" bilden: Sie zielen darauf ab, das Wissen im Sinne eines Goal-Based-Szenarios anzuwenden. In dieser Transferleistung liegt auch eine gewisse Anforderung an die Teilnehmenden, weshalb dieses Seminar nicht für Studienanfänger geeignet ist. Es werden also einerseits Basiskenntnisse im Bereich der qualitativen Sozialforschung angeboten; andererseits werden diese vergleichsweise elaboriert und anwendungsorientiert erlernt. Denn diese Grundkenntnisse können durchaus theoretisch erworben werden, da ein geeigneter didaktischer Rahmen zumindest die gedankliche Anwendung (Paper-Pencil-Anwendung im Rahmen von Fallbeispielen) des Gelernten anregt. Begleitend zum Grundkurs ist es übrigens möglich, eine Übung zu besuchen und dort in einem eigenen Forschungsprojekt die eher abstrakten Inhalte tutoriell begleitet anzuwenden.
Der Ablauf des Seminars stellt sich dabei folgendermaßen dar: Nach einer einführenden Sitzung werden in Zweiergruppen die ersten Bausteine des Lehrtextes im Selbststudium gelesen und die erste Partneraufgabe bearbeitet. Die Aufgabenlösungen werden online (für alle Teilnehmenden zugänglich) hochgeladen. Als Rückmeldung erhalten die Studierenden ein strukturiertes Feedback auf die Ergebnisse ihrer Arbeitsaufträge. Dies erfolgt in einem öffentlich zugänglichen Dokument ohne Angaben zur Bewertung (diese wird individuell per Email mitgeteilt). Außerdem findet im Anschluss ein Präsenztreffen statt, wo über die Partneraufgabe und das Feedback diskutiert werden. Diese Vorgehensweise wiederholt sich bei der zweiten und dritten Partneraufgabe.
Es ist vermutlich schon erkennbar geworden: Von zentraler Bedeutung in diesem Seminar-Konzept sind die Rückmeldungen an die Studierenden. Noch so ausgeklügelte Aufgaben auch im Kontext problemorientierter Lernumgebungen bewirken wenig nachhaltige Lernerfolge, wenn Studierende keine oder zu wenig lernförderliche Rückmeldungen auf ihre Aufgabenlösungen erhalten. Dies soll infolge des geschilderten, intensiven Feedback-Prozesses sichergestellt werden, daher liegt ein besonderes Augenmerk auf einem möglichst durchdachten Feedback-Konzept. Der Dozierende ist dabei als Inhaltsexperten bei Fragen zur Literatur und zu den Arbeitsaufträgen, vor allem aber als Feedbackgeber für Aufgabenlösungen und das damit zusammenhängende Assessment lehrend tätig.
Das Feedback im Lehrangebot „Einführung in die qualitative Sozialforschung" kann als informierendes, elaborierendes Feedback und damit als Form der komplexen Rückmeldung eingeordnet werden, die zahlreiche Zusatzinformationen für den Leser bereithält (z.B. „knowledge on how to proceed", Narciss, 2006, S. 23). Es ist damit deutlich von einfachen Formen des Feedbacks wie „knowledge of results" oder „answer until correct" abzugrenzen5 (vgl. Narciss, 2006, S. 23). Sowohl Assessment-Methodik als auch Feedback-Prozess sind nicht eindeutig in die Schwarz-Weiß-Kategorien „summativ" oder „formativ" einzuordnen. Begründet liegt dies in den durch den Bologna-Prozess gesteckten Rahmenbedingungen. In Folge der Modularisierung und der Zunahme der durch die Studierenden zu erbringenden Prüfungsleistungen sind ausschließlich formative Assessments6 kaum möglich. Irons (2008) verdeutlicht jedoch, dass Mischformen formativen und summativen Assessments wie auch Feedbacks durchaus üblich und sinnvoll sind (ebd., S. 23-26). Genau dies ist der Fall in der „Einführung in die qualitative Sozialforschung". Hier verfolgt das Assessment (a) das Ziel, den Lernprozess der Studierenden zu fördern (was durch die Aufteilung des Assessments in drei Partneraufgaben begünstigt wird) und (b) werden die Studierenden anhand ihrer erbrachten Leistung beurteilt. Äquivalent dazu verhält sich das Feedback: Es fördert (a) den Lernprozess (direkte Umsetzung der Tipps dank dreier Partneraufgaben möglich) und stellt (b) Transparenz in der Bewertung her.
Soweit jedenfalls die theoretischen Überlegungen. Um Kenntnis darüber zu gewinnen, ob das Feedback tatsächlich den Intentionen gemäß rezipiert und genutzt wurde, wurde im Wintersemester 2007/2008 eine semesterbegleitende Studie initiiert. Ziele, Methoden und Ergebnisse dieser Studie werden im folgenden Abschnitt dargelegt.
Wie schon in Abschnitt zwei dieses Artikels erläutert, wurde sowohl das didaktische Konzept bzw. hauptsächlich das Studienmaterial der Veranstaltung „Einführung in die qualitative Sozialforschung" als auch der Feedbackprozess kontinuierlich evaluiert und weiterentwickelt. Im Rahmen eines Begleitstudium-Projekts im Wintersemester 2007/2008 sollte dem Feedbackprozess nun besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Denn relativ kurze Evaluationen am Ende einer Veranstaltung erlauben keinen tiefergehenden Einblick in die ablaufenden Prozesse während der Veranstaltung. Durch die drei Partneraufgaben haben die Studierenden allerdings die Chance, ihre Leistungen kontinuierlich zu verbessern. Aus diesem Grund sollte das Feedback nicht zum Abschluss einer Veranstaltung (im Sinne einer summativen Evaluation) durch die Studierenden beurteilt werden, sondern ihre Einstellungen und Emotionen sollten prozessbegleitend erhoben werden.
Grundannahme der hier vorgestellten Studie ist der konstruktivistische geprägte Gedanke, dass ein vom Dozenten nach bestem Wissen und Gewissen formuliertes Feedback nicht zwingend wie intendiert von den Studierenden rezipiert und genutzt wird (vgl. Krause, Stark & Mandl, 2003, S. 11). Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Studierenden das Feedback in Abhängigkeit von ihren Vorerfahrungen, Handlungsroutinen und Persönlichkeitseigenschaften durchaus unterschiedlich wahrnehmen. Ein Beispiel verdeutlicht dies am besten: Ein Studierender, der den Kurs besucht, weil er (a) entweder Interesse an den Inhalten hat7 oder (b) das dort Gelernte als wichtig für seinen Werdegang erachtet8, wird dem Feedback mehr Beachtung schenken als ein Studierender, der lediglich einen Schein erhalten möchte9. Aus diesem Grund wurden in der Studie auch die Beweggründe zur Kursteilnahme, die Lernzielorientierung und die Vorerfahrungen mit Feedback und Blended Learning berücksichtigt.
Hinsichtlich des methodischen Designs wurde bei der Konzeption der Studie ein Methodenmix angestrebt. Bei der Betrachtung des Grundkurses10 sollten zwei Onlinebefragungen (nach dem 1. und nach dem 3. Feedback) durch eine Gruppendiskussion am Ende der Veranstaltung ergänzt werden. Leider konnten für die Gruppendiskussion keine Probanden gewonnen werden, was vermutlich daran lag, dass die Studierenden zu diesem Zeitpunkt - am Ende des Semesters - zu beschäftigt mit Klausuren und Hausarbeiten waren. Doch auch die beiden Onlinebefragungen konnten bereits einige Ansatzpunkte für die Verbesserung des Feedbackprozesses bzw. der Veranstaltung als Ganzes aufzeigen. Zielsetzung der Studie war, aus der Studierendenperspektive heraus Erkenntnisse hinsichtlich dreier Zielrichtungen zu gewinnen (siehe Abbildung 1):
Abbildung 1: Zielsetzung der Studie
Es wurden Fragen folgender Dimensionen in die Befragungen integriert:
Erste Onlinebefragung
Zweite Onlinebefragung
Das Feedback, das die Studierenden zum Zeitpunkt der Erhebung erhielten, wurde ihnen schriftlich und angesichts des hohen Korrekturaufwandes der Partneraufgaben relativ zeitnah (etwa nach einer Woche) zur Verfügung gestellt. Die Rückmeldung war als Fließtext ausformuliert und umfasste pro Gruppe im Durchschnitt eine Seite. Sie war aufgeteilt in drei Blöcke, die sich an der Struktur der Partneraufgaben orientierten. Hier als Beispiel die Feedback-Struktur der Partneraufgabe 1:
a) Vollständigkeit und inhaltliche Richtigkeit (Quantität) sowie Güte der Begründung (Qualität) bei der Kriterienwahl: 0 bis 12 Punkte (Aufgabenteil a und b)
b) Passung des Instruments zur Problemstellung bzw. Brauchbarkeit für die wissenschaftliche Problemlösung: 0 bis 6 Punkte (Aufgabenteil c)
c) Praxistauglichkeit der Hinweise: 0 bis 6 Punkte (Aufgabenteil d)
An der ersten Onlinebefragung nahmen 15 der 22 Studierenden teil, an der zweiten Befragung 10 Studierende11. Somit konnte eine Teilnahmequote von etwa 68% bzw. ca. 45% erzielt werden. Die Erkenntnisse aus den Umfragen werden nun anhand der Zielrichtungen der Studie zusammengefasst.
Hinsichtlich der Zielrichtung 1 „Stellenwert von Feedback bei Studierenden" hat sich gezeigt, dass fast alle Befragten dieses als „sehr wichtig" oder „eher wichtig" einstufen (14 von n=15). Die schriftliche Form als Repräsentationsmodus wurde als beliebteste Feedback-Art ausgewählt. Fast jeder der Befragten hat mit einer oder mehrerer der zur Auswahl gestellten Feedback-Formen (schriftlich, mündlich, durch Kommilitonen) in seinem Studium bereits Erfahrung gesammelt.
Bezüglich der „Rezeption und Wirkung des Feedbacks" (Zielrichtung 2) zeigte sich, dass die Studierenden gemäß ihrer Äußerung, dass Feedback für sie wichtig ist, das zur Verfügung gestellte Feedback unmittelbar rezipierten (11 von n=15) und sich zumeist innerhalb ihrer Arbeitsgruppe mit dessen Inhalten auseinandersetzten (13 von n=15). Eine grundlegende Voraussetzung für eine (positive) Auswirkung des Feedbacks, nämlich dass es überhaupt rezipiert wird, kann somit als erfüllt angesehen werden. Als besonders wichtige Bestandteile der Rückmeldung wurden all solche Informationen benannt, die sie auf die eigene Leistung beziehen12: Kritik, Lob, die eigene Punktzahl und konkrete Verbesserungsvorschläge. Die Informationen, die anderen Gruppen betreffen, wurden zwar nur in wenigen Fällen als „gar nicht wichtig" eingestuft, folgen aber in deutlichem Abstand. Bei der Selbsteinschätzung der Emotionen durch die Studierenden zeigte sich, dass diese zwar grundsätzlich mit dem Feedback zufrieden waren (acht von n = zehn) und es als informativ (zehn von n = zehn), angemessen (acht von n = zehn) und hilfreich für die Reflexion (acht von n = zehn) betrachteten, dass aber insbesondere die Nachvollziehbarkeit für sechs der zehn Befragten nicht oder nur eingeschränkt gegeben war. Im Gesamturteil schnitt das Feedback bei sechs der zehn Befragungsteilnehmer als „mittelmäßig" oder „eher nicht" der eigenen Idealvorstellung eines Feedbacks entsprechend ab13. Ein Re-Design war unter diesen Bedingungen empfehlenswert. Insbesondere eine Überarbeitung der Bewertungskriterien ist im Hinblick auf die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Bewertung dabei ein wichtiger Teilaspekt.
Aus den gesammelten Erkenntnissen zur Rezeption und Wirkung des Feedbacks wurden schließlich Vorschläge zur Verbesserung des Feedback-Prozesses herausgearbeitet (Zielrichtung 3). Das neue Bewertungsraster behielt die Aufteilung nach Aufgabenblöcken bei; ergänzte diese allerdings um den Teil „allgemeine Kriterien" und „Gesamteindruck". Zudem wurde die Rückmeldung stärker strukturiert (anstelle von Fließtext nun Stichpunkte zu positiven bzw. negativen Aspekten) und die Punkteverteilung wurde ausdifferenziert.
Die Rückmeldung-Struktur zur Partneraufgabe 1:
I. Allgemeine Kriterien (0 bis 6 Punkte)
1) Passung zur Anforderungssituation (0 bis 3 Punkte)
+ Pro
- Contra
Punktezahl: x2) Formalia (0 bis 3 Punkte)
+ Pro
- Contra
Punktezahl: xII. Aufgabenteil a und b (0 bis 9 Punkte)
Vollständigkeit und inhaltliche Richtigkeit (Quantität) sowie Güte der Begründung (Qualität) bei der Kriterienwahl
1) Begründung der Kriterien (0 bis 3 Punkte)
+ Pro
- Contra
Punktezahl: x2) Darstellung der Methoden (0 bis 3 Punkte)
+ Pro
- Contra
Punktezahl: x3) Begründung der Methodenwahl (0 bis 3 Punkte)
+ Pro
- Contra
Punktezahl: xIII. Aufgabenteil c (0 bis 6 Punkte)
Passung des Instruments zur Problemstellung bzw. Brauchbarkeit für die wissenschaftliche Problemlösung
1) Entwicklung und Darstellung des Instruments (0 bis 6 Punkte)
+ Pro
- Contra
Punktezahl: xIV. Aufgabenteil d (0 bis 3 Punkte)
1) Praxistauglichkeit der Hinweise (0 bis 3 Punkte)
+ Pro
- Contra
Punktezahl: xV. Gesamteindruck
Kurzer Fließtext
Gesamtpunktzahl für Aufgabe 1: x
Jeder Gruppe geht nun eine „private" Version des Feedbacks mitsamt ihrer erzielten Punktzahl zu. Außerdem ist in dieser „privaten" Variante des Feedbacks hinter den als negativ eingestuften Rückmeldungen angegeben, ob dieser Aspekt zu Punkteabzug geführt hat (dies ist nicht immer der Fall, da manche „Fehler" stärker gewichtet werden). Eine „öffentliche" Version ohne Punktzahl wird dem gesamten Kurs zur Verfügung gestellt.
Ein weiterer Punkt, der ebenfalls im Zusammenhang mit der Transparenz der Benotung steht, betrifft nicht direkt das Feedback, sondern die Gestaltung des Grundkurses allgemein. Mittels einer verpflichtenden Präsenzsitzung nach der Bewertung der ersten Partneraufgabe konnten geeignete Rahmenbedingungen für die Transparenz des Feedbacks geschaffen werden. Der Rezipient wird durch Einbindung dieser Sitzung ins didaktische Design bei Fragen nicht allein gelassen, sondern kann diese dialogisch mit dem Dozierenden klären. Dieses Vorgehen hat sich im Sommersemester 2008 bereits bewährt. Daneben wurde erkennbar, dass die Erfahrung mit dem neuen Feedback-Raster insgesamt positiv ausfällt, wenngleich es für den Dozierenden zunächst mit erheblichem Mehraufwand verbunden war (u. a. war eine Umstellung vom „gewohnten" Verfahren notwendig, außerdem erfordern kompakte Stichworte mehr Präzision bei der Formulierung).
Trotz des erfolgreichen Re-Designs des Feedback-Instruments in der „Einführung in die qualitative Sozialforschung" ist es wichtig, sich drei Dinge bewusst zu machen:
1) Das „ideale Feedback-Instrument" wird niemals zu konzipieren sein. Studierende haben unterschiedliche Vorerfahrungen, Erwartungen, Lernzielorientierungen bzw. Interessen und werden demzufolge auch unterschiedliche Ansprüche an das Feedback stellen bzw. diesem unterschiedlich positiv oder negativ gegenüber stehen14. Obwohl dieses „ideale Feedback" unwahrscheinlich ist, bedarf es einer kontinuierlichen Evaluation des Instruments (und natürlich des gesamten Kurses), um sich diesem „idealen Feedback" zumindest anzunähern.
2) Wie bereits zum Abschluss des dritten Abschnitts angedeutet, kommt insbesondere der Gestaltung geeigneter Rahmenbedingungen für Feedback eine große Rolle zu. Neben der Ermöglichung eines Dialogs zwischen Lehrenden und Studierenden sollte gesteigerter Wert darauf gelegt werden, die Bedeutung von Feedback für den Lernprozess (hier: u. a. Verbesserungschancen von der 1. bis zur 3. Partneraufgabe) gemeinsam mit den Studierenden herauszuarbeiten (vgl. Baartman et al., 2007; Irons, 2008, S. 64).
3) Der Individualität jeder Feedback-Situation ist auch insofern Rechnung zu tragen, als dass Lehrende sich bewusst sein müssen, dass Feedbacks, die sich in Veranstaltung A bewehrt haben, nicht zwingend in Veranstaltung B als sinnvoll erweisen. Unterschiedliche Veranstaltungsformen und Wissensziele machen genau darauf zugeschnittene Rückmeldungsformen notwendig.
Werden diese Punkte beachtet und kann das Feedback somit als sinnvoller und integraler Bestandteil eines didaktischen Designs etabliert werden, erhöht sich die Chance, dass trotz der von Bologna gesteckten Rahmenbedingungen ein Assessment for Learning möglich wird.