Kaiser, J. & Wallenta, P. (2009). Hochschulen: Die neuen Akteure am Markt. Erstsemester und Co.: OER als neues Marketinginstrument. w.e.b.Square, 01/2009. URL: http://websquare.imb-uni-augsburg.de/2009-01/9
Aufgrund zahlreicher bildungspolitischer und wirtschaftlicher Entwicklungen in den letzten Jahren nimmt das Hochschulmarketing einen immer höheren Stellenwert ein - gerade auch, was das Werben um Studienanfänger anbelangt. Der folgende Beitrag widmet sich deshalb der Frage, welche Rolle Open Educational Resources (OER) im Hochschulmarketing spielen könnten.
Der Entschluss, wie es nach dem (Fach-)Abitur weitergeht, ist für viele junge Leute ausschlaggebend für ihre Zukunft. „Soll ich studieren oder lieber eine Ausbildung machen?“, „An welche Hochschule gehe ich und was studiere ich?“, „Wo bekomme ich ausreichende Informationen zum Studium?“ – diese oder ähnlich wichtige Fragen stellen sich vielen Abiturienten. Auch Anna, 19 Jahre, befindet sich in dieser Situation. Sie hat gerade ihr Abitur mit 1,3 abgeschlossen und steht nun vor der Entscheidung: „Wie soll ich meine Zukunft bloß gestalten?“. Die Abiturientin interessiert sich für Medien im Allgemeinen, insbesondere für das Internet und beabsichtigt aus diesem Grund ein medienwissenschaftliches Studium zu absolvieren. Anna sieht das Web 2.0, dessen Angebote sie gerne und häufig nutzt, als wichtige Entwicklung, an der kein innovatives Unternehmen vorbeikommt. Daher sucht sie eine Hochschule, die E-Learning anbietet. Dank ihres ausgezeichneten Abiturdurchschnitts stehen ihr zahlreiche Universitäten zur Wahl, sie muss keine Zulassungsbeschränkung fürchten. Da sie in Aichach bei Augsburg wohnt, stellt die Universität Augsburg für sie eine günstige Alternative dar. Der hier angebotene Medien-und-Kommunikations-Studiengang spricht Anna sofort an. Dennoch möchte sie sich vor ihrer endgültigen Entscheidung über die Angebote und Lehrbedingungen an verschiedenen Hochschulen informieren. Der schlechten Informationslage der Studierenden, vor allem der Erstsemester, ist sie sich dabei bewusst. Als Informationsquelle wählt Anna das Internet und hofft, auf das richtige Medium gesetzt zu haben. Annas Beispiel zeigt, dass Studieninteressierte bereits vor ihrer Einschreibung nach ausführlichen Informationen über Studienangebote an einer bestimmten Universität suchen. Doch inwiefern können Hochschulen auf die Zukunftsentscheidung junger Menschen Einfluss nehmen und ihnen bei der Informationssuche helfen? Die Aufgabe der Hochschulen ist es, potenziellen Studienanfängern Informationen leicht auffindbar und frei zugänglich zur Verfügung zu stellen. Durch ein gelungenes Marketing können so neue Studierende gewonnen und auch langfristig an die Universität gebunden werden. Open Educational Resources (OER) – also frei zugängliche Bildungsressourcen – spielen hierbei eine wichtige Rolle.
Die Hochschulen des 21. Jahrhunderts sind einem tief greifenden Wandel ausgesetzt und werden zunehmend mit neuartigen Kontextbedingungen konfrontiert. Bologna- Reform, Finanzierungsprobleme, die von kontrovers betrachteten Lösungsansätzen wie den Studiengebühren begleitet werden, demographischer Wandel und nicht zuletzt technologische Entwicklungen stellen die höheren Bildungseinrichtungen vor neue Herausforderungen. Hierbei erfährt die Öffnung der Organisation Hochschule nach außen eine enorme Notwendigkeit. Nicht nur Studierende, sondern auch Lehrende, Wirtschaft und Politik fordern mehr Transparenz. Somit wird Hochschulmarketing zu einer zentralen Daueraufgabe.
Die Situation in der Hochschullandschaft hat sich spätestens durch die Bologna-Deklaration1 stark verändert. Die daraus resultierende Konvergenz zwischen Universitäten und Fachhochschulen, die internationale Vergleichbarkeit der Studiengänge durch den gemeinsamen Bachelor- Abschluss, der Markteintritt von Privatuniversitäten und die Einführung von Studiengebühren verstärken den Wettbewerb unter den Hochschulen auf nationaler und internationaler Ebene. Zudem konkurrieren die Hochschulen im Rahmen der 2005 ins Leben gerufenen „Exzellenzinitiative“ um die besten Studenten (Keupp, 2007). Dieser intensiver werdende Wettbewerb ist laut Heimstädter (2007, zitiert nach Meffert & Müller-Böling, 2007, S.62) der „grundsätzliche Treiber für die zunehmende Bedeutung des Hochschulmarketings“ (ebd., 2007). Keupp (2007) spricht sogar von einer vollkommenen Integration der Hochschulen in den Markt und somit einem impliziten Zwang zum wirtschaftlichen Handeln in Bezug auf den Gewinn neuer „Kunden“, also Erstsemester.
Durch sinkende Bildungsetats sind die finanziellen Mittel des Staates zur Förderung der Hochschulen begrenzt. Diese Förderung ist jedoch die Haupteinnahmequelle für Universitäten. Darum vereinbarten Staat und Hochschulen eine „leistungsorientierte Mittelverteilung“ (Meffert & Müller-Böling, 2007, S. 2) unter den Bildungseinrichtungen. Die Höhe der finanziellen Unterstützung hängt dementsprechend von der Anzahl der immatrikulierten Studierenden und von der Qualität der Forschung ab. Es ist also für Universitäten in zweierlei Hinsicht von Bedeutung, neue Studierende zu werben. Sie garantieren Einnahmen durch Studiengebühren – sofern die Hochschule diese erhebt – und erhöhen die staatlichen Zuwendungen (ebd., 2007). Studiengebühren führen jedoch auch dazu, dass die Studierenden eine Verbesserung der Lehre erwarten. Denn sobald diese für den Konsum des Produkts „Bildung“ zahlen müssen, werden sie zu „Kunden“ und legen ein kritischeres Kundenverhalten bei der Wahl einer Universität an den Tag. Dies wiederum treibt Hochschulen zu Höchstleistungen in der Öffentlichkeitsarbeit und der „Kundenakquise“, also dem Hochschulmarketing (Keupp, 2007, S.6). Da der Finanzbedarf der Universitäten durch staatliche Fördermittel und Studiengebühren allein nicht gedeckt werden kann, gewinnen private Finanzierungsquellen an Bedeutung. Hierbei dienen hauptsächlich Unternehmen in der Rolle von Sponsoren und Privatpersonen als Stifter oder Mäzene. Hauptmotiv für Unternehmen, eine Universität zu sponsern, ist die Möglichkeit, überdurchschnittlich qualifizierten Nachwuchs zu gewinnen (vgl. Meffert & Müller-Böling, 2007).
Ein Beispiel dafür, wie wichtig private Sponsoren für eine Hochschule sind, lieferte die Universität Witten-Herdecke. Sie wurde zu einem Sechstel vom Land Nordrhein-Westfalen finanziert und stand kurz vor dem Aus, als das Land 2008 die zugesagten Förderungen in Höhe von 4,5 Millionen Euro verweigerte und darüber hinaus drei Millionen von der Universität zurückforderte. Grund hierfür war, dass der Universität keine „ordnungsgemäße Geschäftsführung“ (Schraa, 2008) vorgeworfen wurde. Die Universität konnte letztendlich durch die Zuwendung zweier Privatsponsoren, nämlich des Heidelberger Gesundheitskonzerns SRH und der Darmstadter Software AG vorerst gerettet werden. Eine unabhängige Wirtschaftsprüfung soll, laut der Wochenzeitung „Die Zeit“ (Zeit-Online, 2008) nun den Anspruch auf Landesförderung für 2009 prüfen.
Der Wettbewerb um Studienanfänger wird zudem durch demographische Faktoren verstärkt, da die Anzahl der 19- bis 25- Jährigen - und damit der potentiellen Studienanfänger - stetig abnimmt. Weniger Studienanfänger haben zur Folge, dass die Kapazitäten der Hochschulen nicht ausgelastet sind. Mehr freie Studienplätze bedeuten gleichzeitig größere Auswahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Hochschulen für Studenten. Dies verstärkt den Wettbewerb zwischen den Hochschulen zusätzlich (vgl. OECD, 2007)
Eine weitere Problematik ist: Die Schule bereitet Studienanfänger oftmals nur unzureichend auf ein mögliches Studium vor. Eine Befragung von Erstsemestern an Universitäten und Fachhochschulen im Wintersemester 2007/08 ergab z.B., dass nur 2/5 der Befragten sich durch die Schule „gut“ oder „sehr gut“ auf ein Studium vorbereitet fühlen (vgl. Heine, Willich, Schneider & Sommer 2008, S. 100 f.). Auch der Informationsstand vor Studienbeginn ist oft nicht „sehr gut“. Weniger als die Hälfte der Befragten gab an, dass sie „gut“ informiert war. Jeder sechste verfügte aber über „unzureichendes“ oder „gar kein“ Vorwissen. Dabei zeigt sich, dass ein hoher Informationsstand über Bedingungen an der Hochschule und über den Studiengang ausschlaggebend für den Studienverlauf ist. Gut informierte Studierende haben seltener falsche Erwartungen und tendieren deshalb seltener zu Studienfachwechseln oder gar zum Abbruch des Studiums. Das wichtigste Medium zur Informationssuche ist das Internet (vgl. ebd., 2008). Aber auch auf das gesamte Studium bezogen, spielt es eine wichtige Rolle: Die heutigen Studienanfänger gehören zur „Net Generation“. Diese Generation ist mit dem Internet aufgewachsen und nutzt dieses auch gerne zum Lernen und in der Freizeit, wie Untersuchungen des HIS (Hochschul-Informations-Systems) von 2008 zeigen (Kleinmann, Özkilic & Göcks, 2008). Durch den Einsatz solcher Technologien kann eine Hochschule diese Gruppe gezielt ansprechen.
Wie bereits oben erwähnt, forcieren die soeben dargelegten Faktoren die Relevanz eines dauerhaften Hochschulmarketings. Hochschulen, welche sich im intensiven Wettbewerb um Studierende, gutes Lehrpersonal und Finanzquellen behaupten wollen, müssen auf innovative marketingpolitische Instrumente setzen. Genau an diesem Punkt kommt die OER-Initiative ins Spiel. OER haben eine integrierende Kraft, welche sich gut zu Marketing-Zwecken nutzen lässt. Zu beachten ist jedoch ferner, dass die öffentliche Darstellung einer Hochschule neben Chancen auch Risiken beinhaltet.
Aus welchen Gründen sollte ein dauerhaftes Hochschulmarketing eine zentrale Rolle spielen? Des Weiteren gilt es zu klären, was Non-Profit-Marketing angesichts der aktuellen Herausforderungen überhaupt leisten kann.
Finanzielle Aspekte sprechen für die Notwendigkeit eines effektiven Hochschulmarketings. Denn das Bildungswesen ist keine reiche Branche. Man produziert Bildung nicht am Fließband, genauso wenig wie man das fertige Produkt zu einem kostendeckenden Preis an Konsumenten verkauft. Jegliche potenzielle Quelle finanzieller Zuwendung ist zu berücksichtigen. „Bildungsinstitutionen müssen letztlich ihre Märkte genauso sorgfältig analysieren wie etwa Hersteller von Seife oder Autos“, betont Kotler (1978, S. 344) und meint damit, dass auch Hochschulen auf Marketing angewiesen sind und auf entsprechende Maßnahmen nicht verzichten sollten. Hinsichtlich der Rekrutierung und langfristigen Bindung von Studierenden an die Universität ist es wichtig, Informationen frei zugänglich und leicht auffindbar zu machen, zum Beispiel über das Internet oder Werbe- und Informationsaktivitäten (Heine et al., 2008). Das Internet ist klar die Informationsquelle „Nummer eins“, wenn es um die Entscheidung für ein Studium geht - und zwar in quantitativer und qualitativer Hinsicht. 84 Prozent der im Wintersemester 2007/08 befragten Studienanfänger schätzen z.B. den Ertrag des Internets für ihre Studienentscheidung hoch ein (ebd., 2008). Dies betont die Wichtigkeit eines guten Online-Auftritts für Universitäten im Rahmen einer dauerhaften Marketingstrategie. Immer häufiger wird auch das Gespräch mit bereits Studierenden der einzelnen Studiengänge gesucht. Über 70 Prozent der Befragten haben vor Studienbeginn mit Studierenden gesprochen. Über 50 Prozent davon empfanden die Unterhaltungen als sehr hilfreich. Solche Gespräche stellen laut Studienanfängern nach dem Internet die zweitbeste Informationsquelle dar (ebd., 2008). Diese Tatsache zeigt, wie wichtig ein internes Marketing für Hochschulen ist. Denn nur zufriedene Studierende empfehlen Studium und Universität weiter – da unterscheiden sich Hochschulen nur wenig von einer Marke: Bei einer großen Palette an relativ homogenen Angeboten erleichtern Marken den Konsumenten die Informationsverarbeitung und bieten Orientierungshilfe. Konsumenten assoziieren mit Marken ein gewisses Qualitätsniveau, wodurch ihre Wahl beeinflusst wird. Marken fördern nicht zuletzt die Chancen auf Selbstdarstellung, Selbstverwirklichung und Identifikation (Casper & Metzler, 2002).
Zielgerichtetes Marketing ist also für Hochschulen ebenso von Bedeutung wie für Unternehmen, gerade im Hinblick auf Kundengewinnung. Dabei sehen sich Hochschulen als Non-Profit-Organisationen (NPO) jedoch einer speziellen Situation ausgesetzt. Die „Bildungsbranche“ ist produktorientiert, nicht marktorientiert. Es dreht sich vorrangig um die Definition des Bildungsproduktes durch Lehrkräfte, welches dann öffentlich so hingenommen werden muss. Dies impliziert aber auch und das ist der wesentliche Punkt, dass dieser Bereich mit dem Verlust von „Kunden“ an andere „Lieferanten“ rechnen muss, deren Bildungsprodukte den gewandelten Bedürfnissen und Wünschen eher entsprechen. Insbesondere das höhere Bildungswesen muss sich intensiv mit der Frage auseinandersetzten, wie der Markt zufrieden gestellt werden könnte. Aus dem einfachen Grund, dass kein Zwang zum Konsum seines Produktes besteht (Kotler, 1978). Pleil (2004) betont, dass die Kernaufgabe der Öffentlichkeitsarbeit von NPO und Profit-Organisationen grundsätzlich identisch sei und auf dieselben Instrumente zurückgreift. Eine besondere Herausforderung an Hochschulen als NPO ist jedoch das Schaffen von Transparenz, da sie erstens auf finanzielle Zuwendungen angewiesen sind, zweitens eine wichtige gesellschaftliche Funktion (Bildung) erfüllen und somit im Auftrag des Staates handeln. Oft fehlt ihnen jedoch im Gegensatz zu Profit-Organisationen die notwendige Kommunikationsexpertise. Trotzdem gehört Öffentlichkeitsarbeit neben der Pressearbeit zum alltäglichen Programm (ebd., 2004).
Welche Chancen, welche Risiken sind mit der Öffnung der Hochschulen nach außen verbunden?
Allgemeine Marketinginstrumente für NPO sind vor allem Online-PR, Pressearbeit, Fundraising2 und Campaigning3. Hierbei müssen die NPO, wie bereits erwähnt, oft mit mangelnden Ressourcen auskommen. Hohes Engagement der Beteiligten und Kreativität sind hierbei gefragt, um die fehlenden Ressourcen teilweise auszugleichen. Außerdem sollten sich Hochschulen laut Pleil (2004, S.13) „zusätzlich einer ihrer wichtigsten Stärken bewusst sein […]: ihre(r) Expertise“. Auch Zauchner und Baumgartner (2007, S. 5) meinen, dass „im Wettbewerb um Fördergelder [...] innovative und kreative Konzepte gefragt (sind), die sich klar von anderen abheben.“ An diesem Punkt knüpfen OER als innovatives kommunikationspolitisches Marketinginstrument an. Sie bieten die Chance, auch mit geringeren finanziellen Mitteln die Öffentlichkeit zu erreichen und ein positives Bild der Hochschule und ihrer Expertise nach außen zu vermitteln. OER ermöglichen der Öffentlichkeitsarbeit hierbei, bereits durch Lehre und Forschung vorhandene Ressourcen auch für die Kommunikation nach außen zu nutzen und Antworten auf die Herausforderungen zu geben, denen Hochschulen in den Zeiten des zunehmenden Wettbewerbs gegenüber stehen. OER bieten zudem im Wettbewerb um Finanzmittel Vorteile für die Hochschulen. Die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen zur weiteren Nutzung und Überarbeitung erhöht die Transparenz und letztendlich auch die Qualität der veröffentlichten Materialien. Die Höhe der staatlichen Finanzierung hängt, wie bereits erwähnt, unter anderem von der Qualität der Forschung ab.
Durch die Veröffentlichung von Lehrmaterialen können sich auch Studieninteressierte einen Überblick über die Arbeit an einer Hochschule verschaffen. Forschung und Lehre werden transparenter. Man kann davon ausgehen, dass Studierende eher bereit sind, für Lehre zu zahlen, wenn sie zuvor einen Einblick in diese bekommen haben (OECD, 2007). Zudem erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Studienwahl, wenn die Ansprache zeitgemäß erfolgt (Stichwort: Web 2.0). Wie gut OER als Aushängeschild für neue Studierenden dienen kann, zeigen Umfragen des Massachusetts Institute of Technology (MIT). 31 Prozent der dortigen Erstsemester im Jahr 2007 kannten das Open-Course-Ware-Programm der Hochschule schon, bevor sie sich einschrieben und 35 Prozent davon gaben an, dass es signifikanten Einfluss auf ihre Entscheidung für das MIT hatte (ebd., 2007). In vielen Fällen gilt das auch für die Zeit nach dem Studium (im Sinne des lebenslangen Lernens): Hier bietet OER die Chance, auch nach dem Studium auf Lehrmaterialien zuzugreifen und sich weiterzubilden (ebd., 2007). Es werden aber auch Studienabgänger, zum Beispiel im Rahmen des Alumni-Netzwerks, langfristig an die Universität gebunden (vgl. Meffert & Müller-Böling, 2007).
Werden im Rahmen von OER-Maßnahmen studentische Arbeiten veröffentlicht, erhalten Unternehmen die Chance, diese einzusehen. Die Veröffentlichung von herausragenden Arbeiten bedeutet für die Universitäten gute Werbung im Kampf um Sponsoren und zeigt gewissermaßen „nebenbei“ auf, zu welchen Leistungen Studierende imstande sind. OER-Initiativen verbessern folglich die Reputation4 einer Universität in zweierlei Hinsicht: Zum einen gilt es als „gute Sache“, Bildungsressourcen frei zur Verfügung zu stellen. Zum anderen nehmen laut OECD (2007) überwiegend renommierte Hochschulen an der OER-Bewegung teil. Beteiligt sich nun eine Universität daran, kann sie sich auf diese berufen und somit eine positive Außendarstellung erreichen. Im Übrigen wird eine rapide Entwicklung für OER prognostiziert. So wäre es ein (unnötiges) Risiko für Hochschulen, diesbezüglich untätig zu bleiben.
Trotz der genannten Vorteile von OER, bestehen seitens der Hochschulen auch Bedenken bezüglich der Veröffentlichung von Lehrmaterialien und Forschungsergebnissen. Der Bildungssektor sieht sich hier einem signifikanten Problem ausgesetzt: einer „angeborenen konservativen Tendenz“ der „Bildungsbranche“ (Kotler, 1978, S. 252). Oft wird lieber auf altbewährte Methoden gesetzt, als auf neue und unbekannte. Diese traditionelle Einstellung vieler Hochschulen und ihrer Mitglieder erschwert die Etablierung von Online-Kommunikation allgemein und OER im Speziellen. Hinzu kommt, dass Bildungsinnovationen Lehrende nicht selten verunsichern, da gewohnte Handlungsmuster überarbeitet und angepasst werden müssen. Laut OECD (2007) bestehen auch soziale Vorbehalte gegenüber OER. Oft fehlt das nötige Know-how, um die erforderlichen Technologien zu nutzen oder geeignete Inhalte zu generieren. Außerdem ist die Sorge groß, dass veröffentlichte Materialien missbraucht werden. Denn Forscher und Lehrende investieren viel Zeit und Arbeit in das Verfassen von Inhalten. Ihnen fehlen die nötigen Anreize, ihre Arbeiten öffentlich zugänglich zu machen. Trotz der Vorbehalte mancher Hochschulen, heben Zauchner & Baumgartner (2007, S.5) die Bedeutung des OER für das Hochschulmarketing hervor:
„Während manche Hochschulen noch nach dem „Warum?“ fragen, wird anderorts davon ausgegangen, dass OER-Angebote in Zukunft für den Außenauftritt einer Institution/Hochschule ebenso außer Diskussion stehen werden, wie die Frage danach, ob eine Website erstellt werden soll oder nicht. Der Wettbewerb zwischen vielen der weltweit renommiertesten Universitäten zeigt das große Potential von OER-Projekten, das auch für Werbezwecke gegeben ist.“ (ebd.)
Bald werde es kein „Alleinerkennungsmerkmal“ (Zauchner & Baumgartner, 2007, S.5) für Hochschulen sein, an OER-Initiativen teilzuhaben oder Kurse frei und gut aufbereitet zur Verfügung zu stellen.
Während ihrer Recherche über den Studiengang „Medien und Kommunikation“ auf der Homepage der Universität Augsburg und der zuständigen Lehrstühle ist Anna auf mehrere Unklarheiten gestoßen. Informationen über das Punktesystem sowie ein sehr informatives „Erste Hilfe Paket“ für Erstsemestler hat sie auf der Internetseite der Fachschaft gefunden. Des Weiteren gibt es dort einen Studienplan mit Seminaren und Vorlesungen. Auf der Seite des Instituts für Medien und Bildungstechnologie hat sie eine interessante Präsentation, welche die Themengebiete der einzelnen Hauptfächer zeigt, gesehen. Doch mit Begriffen wie Wissensmanagement konnte sie erst einmal wenig anfangen. Zusätzlich fand Anna einen Link zur wissenschaftlichen Online-Zeitschrift des Instituts, die sich w.e.b.Square nennt. Hier werden von Studierenden verfasste Arbeiten zu studienrelevanten Inhalten frei zugänglich zur Verfügung gestellt. Anna ist unter anderem auf Artikel zum Thema „Wissensmanagement“ gestoßen. Da die Texte von Studierenden geschrieben sind, können sie auch Laien oftmals viel besser verstehen. Anna ist mit ihrer Recherche zufrieden und wird sich schließlich für ein Studium in Augsburg entscheiden. Nicht ganz unwichtig war dabei die Außendarstellung des Medien-und-Kommunikation-Studiengangs. Durch die veröffentlichten Materialien hat sie einen sehr guten Einblick in die Themen des Studienganges bekommen.
Angebote wie w.e.b.Square und die Arbeit von Professoren und Fachschaft stehen in engem Zusammenhang mit OER. Sie gewährleisten einen qualitativ hochwertigen und kostenfreien Zugang zu Bildungsinhalten, die speziell in Augsburg vorwiegend positives Feedback erhalten (Hofhues, Füngerlings & Dürnberger, 2008). Da sowohl bereits immatrikulierte Studierende als auch Studieninteressenten diese Angebote nutzen, können sie einen Beitrag zur internen und externen Kommunikation leisten. Die oben genannten Angebote sind außerdem gute Beispiele für die Möglichkeit, mit ein wenig Engagement und der Bereitschaft zu teilen trotz knapper Ressourcen positive Effekte auf den Gewinn neuer Studierender bzw. auf die Zufriedenheit bereits immatrikulierter Studierender zu erzielen. OER-Initiativen können Hochschulen dabei helfen, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich derartige Projekte weiter verbreiten, von der gesamten Institution getragen werden und nicht von der Initiative einiger weniger Lehrender und Studierender abhängig bleiben.