Wie aktiv sind die Mitglieder des Bundestages auf ausgewählten Social Network Sites?
Das World Wide Web bietet heutzutage vielerlei Möglichkeiten und Potential für die Politik. Wie Barack Obama im letzten Jahr zeigte, lässt sich das Internet auch hervorragend und erfolgreich für den Wahlkampf nutzen. Dabei spielen vor allem die Social Networks wie Facebook und Co. eine entscheidende Rolle. Auch in Deutschland haben Politiker das inzwischen erkannt und nutzen diese Plattformen vermehrt für ihre Zwecke. Doch wie aktiv sind die Mitglieder des Deutschen Bundestages auf ausgewählten Social Network Sites? Dieser Fragen gingen Susanne Baur, Daniel Kühner, Tim Maier, Timo Oswald und Markus Thieroff auf den Grund.
Der konsequente Einsatz des Internets gilt als einer der Erfolgsfaktoren des Präsidentschaftswahlkampfes von Barack Obama im Jahr 2008 (vgl. Schmidt, 2008, S. 1). Wie keinem anderen zuvor gelang es ihm, über das Internet Wähler zu erreichen, zu mobilisieren und Spenden zu sammeln. Seine Internetstrategie zeichnete sich im Besonderen durch die Nutzung von Social Network Sites aus.
Hierbei wurden die Profile der 611 Mitglieder des Bundestages (MdB) auf StudiVZ und Facebook mittels einer Inhaltsanalyse Ende Mai 2009 untersucht. Die Aktivität wurde anhand von Indikatoren wie Anzahl der Fotos, Videos, Audios, Gruppen und Verlinkungen gemessen. Des Weiteren wurden die jeweils letzten fünf selbst verfassten und von Dritten hinterlassenen Einträge auf den Politiker-Pinnwänden erhoben.
Ergebnisse der Untersuchung
Allgemeine Ergebnisse
Die Suche nach den Profilen der Bundestagsabgeordneten erfolgte durch die Eingabe von Vor- und Nachname in die Suchmasken auf den beiden untersuchten Social Network Sites. Dazu wurden neue Nutzerprofile angelegt, die keine Verbindung zu den jeweiligen Politikern hatten. Die Echtheit der Profile wurde anhand mehrerer Kriterien überprüft. Hierzu zählen beispielsweise der Kennzeichnung als „Politiker-“ oder „Edelprofil“ oder die Verlinkung von Seiten der offiziellen Politikerwebsite.
Die Inhaltsanalyse der beiden Social Network Sites Facebook und StudiVZ ergibt, dass zum Untersuchungszeitpunkt Ende Mai 2009 von 611 Mitgliedern des Bundestags 147 ein Profil auf einer oder auf beiden untersuchten Social Network Sites haben. Der Großteil davon hat nur ein Profil auf Facebook (73 MdB), nur 30 Abgeordnete sind ausschließlich in StudiVZ präsent und 44 haben jeweils ein Profil auf beiden Seiten. Insgesamt wird StudiVZ von 12,1% und Facebook von 19,2% der Bundestagsabgeordneten genutzt.
Betrachtet man diese Aufteilung nach Parteien wird deutlich, dass die kleineren Parteien Bündnis 90/DIE GRÜNEN und FDP besonders stark vertreten sind. Die FDP sticht dabei auf StudiVZ, die GRÜNEN vor allem auf Facebook heraus. So ist nahezu ein Drittel der FDP-Bundestagsabgeordneten mit eigenem Profil auf StudiVZ vertreten. Die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion sind dagegen kaum vertreten. Generell lässt sich sagen, dass die Abgeordneten von Parteien des bürgerlichen Lagers seltener auf Social Network Sites vertreten sind als die des sozialen Lagers.
Fraktion | StudiVZ |
|
CDU/CSU | 5,0% | 9,5% |
SPD | 13,1% | 23,9% |
FDP | 32,8% | 26,2% |
Bündnis 90/DIE GRÜNEN | 21,6% | 33,3% |
DIE LINKE | 5,7% | 18,9% |
Gesamt | 12,1% | 19,2 |
nCDU/CSU=222; nSPD=222; nFDP=61; nGRÜNE=51; nLINKE=53
Tabelle1: Anteil der Abgeordneten einer Fraktion mit Profil auf der jeweiligen Social Network Site
Betrachtet man die Verteilung nach Alter, so schneiden die jüngeren Abgeordneten unter vierzig Jahren am besten ab. Dennoch sind selbst in dieser Gruppe nur 31,5% auf Facebook und 23,3% auf StudiVZ vertreten. Zwischen den Geschlechtern gibt es im Übrigen nahezu keine Unterschiede.
Altersgruppe | StudiVZ |
Facebook |
<40 | 23,3% | 31,5% |
40-49 | 15,9% | 26,5% |
50-59 | 10,6% | 17,7% |
>59 | 6,5% | 10,1% |
n<40=73; n40 – 49=132; n50 – 59=237 ; n>59=169
Tabelle 2: Altersgruppen der Abgeordneten mit Profil auf der jeweiligen Social Network Site
Spitzenpolitiker1 dagegen sind deutlich öfter auf Social Network Sites vertreten als normale Abgeordnete. Von insgesamt 21 Spitzenpolitikern haben jeweils 42,9% auf Facebook und StudiVZ ein Profil. Betrachtet man lediglich die normalen Abgeordneten, so sind es nur 11% auf StudiVZ und 18,3% auf Facebook.
Von der Möglichkeit Gruppen beizutreten machen die MdB auf Facebook deutlich mehr Gebrauch. Im Durchschnitt sind die MdB dort in mehr als doppelt so vielen Gruppen als auf StudiVZ vertreten. Ähnlich verhält es sich bei den Anhängern; so ist deren Zahl im Durchschnitt auf Facebook (211,05 Freunde) doppelt so hoch wie auf StudiVZ (104,28 Freunde). Betrachtet man die Gruppenzugehörigkeiten genauer, so sind die Abgeordneten im Schnitt häufiger in politischen Gruppen wie „Deutscher Bundestag SPD-Fraktion“ als in unpolitischen wie „Ich glühe härter vor als du Party machst“, was aber keine Überraschung sein dürfte.
Unter den Profilinhabern ist die Angabe persönlicher Interessen wie die des Lieblingsbuches oder die des Musikgeschmacks nicht sehr verbreitet. Lediglich 35,1% auf StudiVZ und 43,1% auf Facebook geben derartige Dinge von sich preis. Hinsichtlich der Parteien lagen hier im StudiVZ die Abgeordneten der SPD sowie der CDU/CSU vorn, im Facebook die der GRÜNEN und der SPD.
Verlinkungen
Ferner wurde untersucht, inwiefern die Abgeordneten auf ihrem Profil Verlinkungen zu anderen Seiten außerhalb ihres eigenen Profils anbieten. Bis auf die CSU unterhält jede im Bundestag vertretene Partei eine eigene Social Network Site. Zu den bekanntesten gehören das „teAM Deutschland“ von der CDU und das SPD-Portal „meineSPD“. Jedoch fühlt sich kaum ein Abgeordneter dazu berufen, auf seinem Profil auf eine solche Seite zu verweisen. Auf StudiVZ erfolgt dies nur durch 4,1% der Abgeordneten, auf Facebook sind es gar nur 3,4%, die derartige Links anbieten.
Verlinkungen innerhalb einer Social Network Site, beispielsweise zum Profil eines Parteifreundes, sind auf 62,4% der betrachteten Profile auf Facebook vorhanden, wohingegen weniger als 10% der Abgeordnetenprofile auf StudiVZ derartige Verlinkungen enthalten. Dies mag in technischen Unterschieden zwischen den beiden Plattformen begründet liegen: Facebook bietet ein Feld an, in das der Profilersteller Links zu anderen Seiten eintragen kann; StudiVZ stellt keine vergleichbare Funktion zur Verfügung.
In StudiVZ verweisen 9,5 % der Politiker auf eine andere unabhängige Social Network Site, die nicht von einer Partei, sondern von einem Drittanbieter unterhalten wird. In Facebook sind es hingegen nur 3,4 % der Abgeordneten, die beispielsweise auf ihr Profil in StudiVZ hinweisen.
Zur jeweiligen Parteiseite des Abgeordneten wird auf beiden untersuchten Social Network Sites selten verlinkt. Bei StudiVZ erfolgt dies noch etwas häufiger (23,0% aller Profile enthalten einen solchen Link) als auf Facebook (12,8%). Die GRÜNEN sind in dieser Hinsicht auf Facebook am aktivsten: 35,3 % aller GRÜNEN-Abgeordneten, die ein Profil auf Facebook haben, verlinken dieses mit der Homepage ihrer Partei. Auf StudiVZ sind die FDP-Abgeordneten diesbezüglich am aktivsten (31,6 %).
Anders verhält es sich bei den Kandidatenseiten. 82,9 % aller Abgeordneten, die ein Profil auf Facebook angelegt haben, verweisen auf ihre eigene Webseite. Bei StudiVZ sind es dagegen nur 35,1%. Spitzenreiter ist jeweils die FDP. Auf Facebook verlinken sogar fast 94% der FDP-Abgeordneten ihr Profil mit der eigenen Homepage.
Fotos, Videos, Audios
Auf Facebook werden von den Abgeordneten mehr als doppelt so viele Fotos und Videos als auf StudiVZ veröffentlicht. Die FDP ist auf Platz 1 mit durchschnittlich 24,88 veröffentlichten Fotos pro Abgeordnetenprofil. In StudiVZ sind es die Abgeordneten der CDU/CSU, die die meisten Fotos hochladen (durchschnittlich 11,45). Geschlechterspezifische Unterschiede diesbezüglich gibt es nur auf StudiVZ: Männliche Abgeordnete stellen hier nahezu dreimal so viele Fotos zur Verfügung als ihre Kolleginnen. Audios spielen auf beiden Social Network Sites trotz technischer Machbarkeit keine Rolle.
Pinnwand
Sind die bisher aufgeführten Untersuchungsaspekte allein von der Aktivität eines Politikers hinsichtlich der Gestaltung seines Profils abhängig und geben Rückschluss auf die Nutzung verschiedener Profilfunktionen, sollen bei der Betrachtung der Einträge auf der Pinnwand eines Profils auch inhaltliche Aspekte einbezogen werden. Unterschieden werden folglich die Pinnwandeinträge, die Besucher des Profils auf der Pinnwand des jeweiligen Politikers hinterlassen (Pinnwandeinträge Dritter), und Einträge, die ein Politiker selbst verfasst beziehungsweise unter seinem Namen verfassen lässt und gleichfalls auf seiner eigenen Pinnwand veröffentlicht (eigene Pinnwandeinträge). Um den Aufwandsrahmen des Projekts nicht zu sprengen, wurden in beiden Fällen die jeweils fünf neusten Einträge zur Auswertung herangezogen. Die Einträge Dritter und die des Politikers stehen damit im Allgemeinen in keinem inhaltlichen und zeitlichen Bezug zueinander.
Untersucht wurde beispielsweise, ob die Einträge Dritter politischer oder unpolitischer Natur sind. Die Definition politischer Einträge schließt hierbei Einträge mit Bezug zu einer Partei, einer politischen Institution, einem politischen Handlungsfeld oder einem eindeutig politisch besetzten Thema ein. Unpolitisch hingegen sind beispielsweise Scherzeinträge wie „Angie, ich will ein Kind von dir.“ Insgesamt erhalten, quer über alle Fraktionen und beide Social Network Sites, durchschnittlich rund die Hälfte aller Profile mindestens einen politischen Pinnwandeintrag Dritter. Einzig die GRÜNEN weißen mit 72,7% auf StudiVZ und 82,4% auf Facebook einen höheren Anteil auf. Betrachtet man die Pinnwandeinträge Dritter auf einem „Durchschnittsprofil“, liegt der Anteil politischer Einträge unter den maximal fünf untersuchten Posts bei rund 42%. Das Minimum bilden dabei die Profile der SPD-Abgeordneten mit 27,1%. Die Profile von FDP-Abgeordneten stellen mit 55,7% das Maximum dar.
Indizes
Als Summe der Anzahl der Fotos und Videos auf den, sofern vorhanden, StudiVZ- und Facebook-Profilen eines Politikers, gibt der Foto-Video-Index Auskunft über die Multimediaaffinität eines Abgeordneten. Audioelemente wurden aufgrund zu geringer Fallzahl nicht berücksichtigt. Da einem Video auf dem Durchschnittsprofil 21 Fotos gegenüberstehen, wurde die Zahl der Videos mit diesem Faktor gewichtet. Spitzenreiter im Foto-Video-Index ist Florian Pronold, der inzwischen Landesvorsitzender der SPD in Bayern ist. Er verfügt über 141 Fotos in StudiVZ und 448 Fotos in Facebook sowie über drei Facebook-Videos. Als empirisches Maximum wird sein Indexwert als 100-%-Marke gesetzt. Unter den Top 20 des Foto-Video-Indexes lassen sich fünf Spitzenpolitiker finden, die von Guido Westerwelle (FDP, 3. Platz, 44%), Renate Künast (GRÜNE, 5. Platz, 38%) und Claudia Roth (GRÜNE, 7. Platz, 27%) angeführt werden.
Der Verlinkungsindex bezieht für beide Social Network Sites jede der fünf genannten Verlinkungsarten mit einfachem Gewicht ein. Die maximal erreichbare Summe von 10 Punkten wird von keinem Politiker erreicht, 6 Punkte erzielen Markus Löning (FDP), Angela Merkel (CDU) und Carola Reimann (SPD) und stellen damit die „Speerspitze der Vernetzung“ dar.
Der Web 2.0-Index umfasst die Verlinkung von MdB-Profilen zu Bilder- und Videoportalen sowie zu Mircroblogging-Diensten wie Twitter. Außerdem fließt mit zweieinhalbfacher Wertung ein (begründet durch die Seltenheit des Vorkommens), ob Microblogging-Dienste direkt in ein Profil eingebunden sind. Hier erreicht Otto Fricke (FDP) den höchsten Wert und setzt als empirisches Maximum die 100-%-Marke. Hubertus Heil und Brigitte Zypries (SPD) erzielen als SPD-Generalsekretär beziehungsweise Bundesjustizministerin jeweils 25%.
Der Aktivitätsindex fast die drei Einzelindizes zu gleichen Teilen zu einer allgemeinen Rangskala für das Engagement von Mitgliedern des Bundestags zusammen. Demnach ist Otto Fricke (FDP) aktivster Abgeordneter auf den untersuchten Social Network Sites. Es folgen Carola Reimann (SPD) und Florian Pronold (SPD), die 81% beziehungsweise 74% des Wertes von Otto Fricke erreichen. Angela Merkel (CDU) und Guido Westerwelle (FDP) platzieren sich als aktivste Spitzenpolitiker mit 67% und 63% auf dem vierten und sechsten Rang. Weitere Spitzenpolitiker in den Top 20 sind Brigitte Zypries (SPD) mit 54% und Renate Künast (GRÜNE) mit 50%. Insgesamt erreichen Spitzenpolitiker mit durchschnittlich 40% einen fast doppelt so hohen Aktivitätsindexwert wie „normale“ Mitglieder des Bundestags mit durchschnittlich 22%. Es lässt sich schlussfolgern, dass Spitzenpolitiker nicht nur weitaus häufiger auf Social Network Sites vertreten sind, sondern sich dort auch aktiver engagieren.
Abschließend sei die Frage aufgeworfen, ob aus Aktivität Attraktivität folgt, konkret, ob Mitglieder des Bundestags mit einem höheren Aktivitätsindexwert auch eine größere Zahl von Profilanhängern aufweisen. Eine mittelstarke, positive Korrelation von 0,385 (signifikant auf einem Niveau von 0,01, zweiseitig) zwischen den beiden Variablen weist jedenfalls darauf hin, auch wenn die kausale Wirkungsrichtung im vorliegenden Untersuchungsdesign natürlich nicht belegt werden kann. Damit die Anhängerzahl nicht durch eine allgemein höhere Bekanntheit und Beliebtheit verzerrt wird, wurden Spitzenpolitiker hier ausgeschlossen.
Fazit
Viele Abgeordnete des Deutschen Bundestages, das zeigt diese Untersuchung, haben bereits ein Profil auf Social Network Sites eingerichtet, um ihre Wähler zu erreichen. Sie nutzen dabei eher Facebook als StudiVZ. Das mag im Vorbild USA, wo die Nutzung von Facebook durch Politiker schon seit den Midterm Elections 2006 weit verbreitet ist (vgl. Williams & Gulati, 2007, S. 5), aber auch in der technischen Überlegenheit von Facebook begründet liegen.
Vorreiter bei der Nutzung von Social Network Sites sind die kleineren Parteien. Besonders stark vertreten sind die Abgeordneten der GRÜNEN und der FDP, deutlich weniger präsent sind die großen Parteien und dabei insbesondere die Union.
Was viele Bundestagsabgeordnete bisher noch davor zurückschrecken lässt, über Social Network Sites in Kontakt zu den Wählern zu treten, kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht herausgefunden werden. Vermutlich sind es aber dieselben Gründe, die Politiker schon in der Vergangenheit von der Nutzung interaktiver Webtechnologien abgehalten haben: Die effektive Nutzung von Social Network Sites in der Wahlkampfkommunikation setzt eine regelmäßige Pflege und Aktualisierung des dortigen Auftrittes voraus. Vielen Politikern fehlt dazu sowohl die Zeit als auch das nötige Personal (vgl. Baringhorst, 2009, S. 19; Stromer-Galley, 2000, S. 123). Weiterhin ist möglich, dass viele Politiker ihre Position zu besonders kontroversen Fragen gerne offener halten möchten, als dies im direkten Kontakt mit den Wählern möglich wäre (vgl. Stromer-Galley, 2000, S. 125). Daneben scheinen einige Politiker den vermeintlichen Kontrollverlust zu fürchten und bleiben daher im Web 2.0 eher reserviert (vgl. ebd., S. 124).
Zum Web 2.0 gehört auch mehr als nur der Einsatz neuer Instrumente wie Social Network Sites oder Weblogs. Nicht minder wichtig ist das neue Nutzerverständnis, das eine „Architecture of Participation“ (O`Reilly, 2005) schafft. Um ihr Potenzial zu entfalten dürfen Social Network Sites nicht nur als zusätzlicher und einseitiger Kommunikationskanal verstanden werden, sondern als Möglichkeit, mit Wählern zu interagieren. Dies scheinen einige Politiker bisher nicht verstanden zu haben. So bittet Sigmar Gabriel auf seinem StudiVZ-Profil die Besucher darum, ihn doch lieber per E-Mail, als direkt über das Nachrichtensystem der Social Network Site zu kontaktieren.
Im deutschen Wahlkampf spielen Social Network Sites somit noch keine vergleichbare Rolle wie in den USA 2008. Das liegt aber nicht nur an den Politikern selbst, sondern auch an institutionellen Faktoren wie der stärkeren Bedeutung der Parteien und der kürzeren Vorlaufzeit von Wahlkämpfen und an kulturellen Faktoren wie der geringeren Bereitschaft der Deutschen, sich offen zu ihrer politischen Präferenz zu bekennen (vgl. Schmitt-Beck, 2000, S. 217). Auch lässt die Annahme, der Wahlkampf über Social Network Sites ließe sich ganz einfach von den USA auf Deutschland übertragen, einige Faktoren außer Acht, die die Präsidentschaftswahl und den Wahlkampf in den USA 2008 prägten. Dazu sind speziell „das politische Talent und die phänobiographische Singularität“ (Moorstedt, 2009) Barack Obamas zu zählen. Das Phänomen des Wahlkampfes über Social Network Sites steht in enger Verbindung mit dem Phänomen Barack Obama. Darüber hinaus lässt sich auch die politische Stimmung in den beiden Ländern nur bedingt vergleichen. Obamas Wahlkampf und -erfolg wurden auch von der starken sozialen Bewegung gegen George W. Bush getragen (vgl. Plehwe & Bohne, 2009, S. 37ff.).
Abzuwarten bleibt, wie sich die politische Nutzung von Social Network Sites in Deutschland, die ja noch sehr jung ist, zukünftig entwickeln wird. Mit längerer Vorlaufzeit könnten sie bereits bei der Bundestagswahl 2013 eine größere Rolle spielen. Bis dahin ist möglicherweise auch erforscht, wie sich der Nutzen der Präsenz auf Social Network Sites tatsächlich beziffern lässt. Dies ist bisher noch unklar, denn „a friend online, does not automatically mean a vote offline“ (Boyd, 2008, S. 94).
1Als Spitzenpolitiker sind hier diejenigen Mitglieder des Bundestags gemeint, die Partei-, Fraktionsvorsitzende oder Mitglieder der Bundesregierung sind.
Literatur
- Baringhorst, S. (2009). Introduction: Political Campaigning in Changing Media Cultures –Typological and Historical Approaches. In S. Baringhorst, V. Kneip & J. Niesyto (Hrsg.): Political Campaigning on the Web (S. 9–30). Bielefeld: transcript Verlag.
- Boyd, D. (2008). Digital Handshakes in Networked Publics: Why Politicians Must Interact, Not Broadcast. In B. Rigby (Hrsg.), Mobilizing Generation 2.0. A Practical Guide to Using Web2.0 Technologies to Recruit, Organize and Engage Youth (S. 91–94). San Francisco: Jossey-Bass.
- Fisch, M. & Gscheidle, C. (2008). ARD/ZDF-Onlinestudie 2008. Mitmachnetz Web 2.0: Rege Beteiligung nur in Communitys. Media Perspektiven, 7/2008, 356–364.
- Moorstedt, T. (2009). Blamage ist Teil der Recherche: Online-Wahlkampf ist kein Plug & Play-Produkt. URL: http://carta.info/9516/blamage-ist-teil-der-recherche-online-wahlkampf-ist-kein-plug-and-play-produkt (12.07.2009)
- O'Reilly, T. (2005). What Is Web 2.0. Design Patterns and Business Models for the Next Generation of Software. URL: http://www.oreillynet.com/pub/... (03.07.2009).
- Plehwe, K. & Bohne, M. (2008). Von der Botschaft zur Bewegung. Die 10 Erfolgsstrategien des Barack Obama. Hamburg: Hanseatic Lighthouse.
- Schmidt, S. (2008). Die Bedeutung des Internets im US-Präsidentschaftswahlkampf 2008. Berlin: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages. URL: http://www.bundestag.de/wissen/analysen/2009/Internet_im_us-wahlkampf.pdf (24.06.2009).
- Schmitt-Beck, R. (2000). Politische Kommunikation und Wählerverhalten: Ein internationaler Vergleich. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
- Stromer-Galley, J. (2000). On-Line Interaction and Why Candidates Avoid It. Journal of Communication, Vol. 50, No. 4, 111 – 132.
- Willimas, C. B. & Gulati, G. J. (2007). Social Networks in Political Campaigns: Facebook and the 2006 Midterm Elections. Paper presented at the annual meeting of the American Political Science Association, Hyatt Regency Chicago and the Sheraton Chicago Hotel and Towers, Chicago, IL. URL: http://www.allacademic.com/meta/p208735_index.html (24.06.2009).
Baur, S.; Kühner, D.; Maier, T.; Oswald, T. & Thieroff, M. (2009). Wie aktiv sind die Mitglieder des Bundestages auf ausgewählten Social Network Sites? w.e.b.Square, 05/2009. URL: http://websquare.imb-uni-augsburg.de/2009-05/7
Kommentar hinzufügen