Login
|
Impressum
|
Über uns
|
Kontakt
w.e.b.Square
Wissensmanagement und E-Learning unter Bildungsperspektive
Ausgabe 2010 04

Bloggen, Twittern und Co.: Was bringt’s wirklich?

Editorial


1_Demmeler.jpg

„Why the heck is #Blumenkübel a trending topic worldwide?" (Arendt, 2010)

Im typisch deutschen Sommerloch, wenn die Familien im Urlaub sind und sich neben unzähligen Sommerfesten nur wenig in Politik und Wirtschaft regt, avancierte dieser Ausspruch zur Metapher der Möglichkeiten des Social Webs. Der Artikel über den zerstörten Blumenkübel vor dem Antoniusstift in Neuenkirchen hätte zu anderen Zeiten wohl kaum so viel Aufsehen erregt - besteht doch der Artikel aus gerade einmal 60 Wörtern und einem Bild (Hövels, 2010). Den Beginn des Hypes löste erst der Tweet eines Kollegen am Abend des folgenden Tages aus. Die so schön banale Aussage „In Neuenkirchen ist ein Blumenkübel umgekippt" zwitscherten im Anschluss tausende bis nach Übersee. Und auch in anderen Ecken des Social Webs machte sich der Blumenkübel selbstständig, wurde eine Facebookgruppe gegründet, darüber gebloggt, Songs gesungen, ein Bekennervideo aufgenommen und sogar neue Kübel gespendet (Weckenbrock, 2010). Am Ende griffen schließlich auch die traditionellen Medien die Geschichte auf (Pro Sieben, 2010; WDR Aktuell, 2010).

Was sagt uns die Geschichte nun über die Möglichkeiten und Eigenschaften des Social Webs? Zum einen zeigt sie die tsunamiartige Ausbreitung, die immer größere Wellen in immer verzweigteren Netzwerken schlägt, das Selbstläufertum von einzigartigen Nachrichten, das Phänomen, dass jeder mitmachen kann und somit auch Unternehmen mit maßgeschneiderter Werbungen auf der Welle mitsurfen können (Sixt, 2010; Sparkasse, 2010). Zum anderen zeigt sie die Mentalität der Twitterer und Blogger, ihren Drang zur Selbstdarstellung, zum Mit-Dabei-Sein und ihre oft humoristische Kommentierung, die von Übertreibung und Ironie bis zur zynischen Gesellschaftskritik geht (Schulz-Bruhdoel & Bechtel, 2009, S. 146f; Knüwer, 2010). Gleichzeitig hat sie gezeigt, wie viel Kraft und Eigendynamik im Social Web herrscht. Diesmal war es nur ein Augenzwinkern, wäre es aber eine negative Schlagzeile, kann sie einer Person oder einem Unternehmen massiv und möglicherweise zu Unrecht schaden.

Diese Dynamik für sich auszunutzen, dazu rufen Medien- und Marketing-Experten aus dem US-amerikanischen Raum schon seit einigen Jahren auf. Image- und Kundenpflege ließen sich durch das Social Web optimieren und damit die Verkaufszahlen erhöhen (Safko & Brake, 2009; Chaney, 2009). Individuelle Betreuung, Mitspracherecht und personalisierte Kommunikation ist möglich und wird von den Kunden gefordert (Hünnekens, 2009, S. 27ff.). Auf der gesellschaftlichen Ebene fördern Meinungsäußerungen im Netz die Demokratie, erweitern und beschleunigen Blogeinträge den Journalismus oder erleichtern Statusmeldungen einfach nur das Kontakthalten im globalen Freundeskreis (Kreye, 2009; Schmidt, 2006, S. 44; Busemann & Gscheidle, 2009, S. 359). Deutschland hinkt wie so oft hinterher. Wir Deutschen sind aber auch einfach skeptischer und diskutieren gerne. Wen oder was wir nicht kennen, wird erst lange beäugt, um sich ein Bild zu machen, bevor es angenommen wird. Junge Internetenthusiasten machen die ersten Schritte und versuchen die Alten zu bekehren - so entstand die Debatte über den Nutzen und die Möglichkeiten der digitalen Medien. Für die Konservativen ist dementsprechend der Blumenkübelvorfall ein Paradebeispiel für die mangelnde Glaubwürdigkeit und vor allem mangelnde Relevanz der digitalen Medien (Fisch & Gscheidle, 2008, S. 360). Was interessiert es mich denn in Augsburg, wenn in Neuenkirchen ein Blumentopf kaputt ist? Und warum soll es mir wichtiger sein, nur weil immer mehr Leute diese Information verbreiten?

Einen besonderen Stellenwert innerhalb neuer Bewegungen hat auch immer die Hochschule. Hier sitzen die klugen Köpfe, die sich Gedanken über Sinn (und Unsinn) machen, hier sitzt die nachdenkliche, aber auch die enthusiastische junge Generation, die sich ausprobieren will, und hier sitzen die (späteren) Medienexperten, die hier ihre Kompetenzen aufbauen können. Kollaborationswerkzeuge als Unterstützung für das Lernen haben dabei einen höheren Stellenwert als im Alltagsgeschehen des Social Webs. Wie in einem Unternehmen fragen sich aber die Dozenten, was bringt es mir, meine Studenten twittern oder bloggen zu lassen? Der springende Punkt dabei ist aber nicht unbedingt der Nutzen der Dozenten, sondern der der Studenten. Erkennen zu viele in der Integrierung des Social Webs eher unnötige Zusatzarbeit als innovativen Mehrwert, ist das Vorhaben zum Scheitern verurteilt. In der Internetgemeinde engagieren sich gerade mal ein paar Prozent aktiv auch wenn es alle könnten. So bloggen nur 3% der Internetnutzer wöchentlich und nur 3,5 Millionen (8%) gehören zum erweiterten Bloggerkreis (Busemann & Gscheidle, 2009, S. 360f.) In einem kleinen Seminar müssen dazu fast alle animiert werden, damit genug Verbindungen und Informationen entstehen, die das Mitmachen interessant machen (ebd., S. 361). Dozenten müssen dazu diesen Mehrwert selbst sehen und ihren Studenten glaubhaft vermitteln, genauso wie sie an die Motivation für ein Engagement wecken müssen - das können je nach Student gegenseitige Hilfe und Information, Selbstdarstellung, Kommunikationsbedürfnis, Feedback oder ähnliches sein. Twitter sieht sich selbst etwa als Nachrichtendienst, weniger als persönliches Netzwerk (O'Reilly & Milstein, 2009, S. 7, 49, 181). Ambient Awareness, in Form von Nachrichten über den gerade im Zug sitzenden Kumpel oder den zerstörten Blumentopf, ist zwar ein netter Nebeneffekt, lässt einen aber selten zu einem langjährigen, überzeugten Twitternutzer werden. Tweets über interessante Links und Trends, interessieren die Twittergemeinde - dazu muss man den Urheber nicht einmal persönlich kennen (Pfeiffer, 2010).

Die Artikel dieser w.e.b.Square-Ausgabe beschäftigen sich gerade damit, wann und in welchem Rahmen Twitter, Blogs und Co. nützlich und wann sie nutzlos sind. Während die wissenschaftlichen Artikel diese Abgrenzung mit Zahlen und Untersuchungen belegen, gibt es in der aktuellen Ausgabe auch Platz für subjektive Erfahrungen in Form von Plädoyers. Immerhin blicken die Studierenden nicht nur von außen auf den Forschungsgegenstand Social Web, sondern sind Teil desselben. Dabei zeigen sie eine reflektierende Einstellung und betrachten bei allem Enthusiasmus neben Vor- und Nachteilen auch die Beziehung zwischen Aufwand und Nutzen. Zum Einstieg appelliert Jan-Mathis Schnurr für mehr Transparenz in der Wissenschaft, um mit Kurznachrichtendiensten, Blogs und Websites Studierenden den Hochschul- und Wissenschaftsbetrieb verständlicher zu machen. Im Anschluss steht die Schule im Mittelpunkt. Lena Grießhammer beleuchtet den Einsatz von Wikis im Schulunterricht. Christina Bülow geht dagegen genauer auf die interaktiven Möglichkeiten von Computerspielen im Geographieunterricht ein. Mit der direkten Lebenswelt der Studierenden, nämlich der Hochschule, setzen sich gleich vier Beiträge auseinander. Während sich Philip Meyer auf die Missverständnisse konzentriert, die beim Einsatz von Weblogs in Seminaren entstehen können, richten die weiteren Autoren ihren Blick auf das aktuelle Trendmedium Twitter. Für Julia Hisserich und Jasmin Primsch steht dabei das Wissensmanagement im Vordergrund, das damit auf 140 Zeichen beschränkt ist. Mit dem Nutzen von Twitter als Denkwerkzeug auf wissenschaftlichen Tagungen beschäftigen sich Anna Bergmann, Frederic Tietze, Felix Meyer und Theresia Meyer. Darüber hinaus fordert Kete Shabani mit einem Augenzwinkern zum Zwitschern auf. Abschließend betrachtet Markus Steidle die Beziehung zwischen Unternehmen und Netzgemeinden und zeigt auf, was passiert, wenn Kritiker im Netz sich gegen Unternehmen richten.

Nun bleibt mir nur noch, Euch neue Eindrücke und viel Spaß beim Lesen zu wünschen!


Literatur

Demmeler, H. (2010). Bloggen, Twittern und Co.: Was bringt's wirklich? Editorial. w.e.b.Square, 04/2010. URL: http://websquare.imb-uni-augsburg.de/2010-04/1.

DruckversionDruckversion


Bewerten
5
Average: 5 (2 votes)
Your rating: Keine

Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.
CAPTCHA
Diese Frage dient dazu festzustellen, ob Sie ein Mensch sind und um automatisierte SPAM-Beiträge zu verhindern.
Image CAPTCHA
Enter the characters shown in the image without spaces, also respect upper and lower case.