Hier drücken, da drehen. Didaktische Konzepte und Medienarrangements zwischen Innovation und Tradition
Editorial
„Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir." Kein Satz aus dem Mund eines frisch frustrierten Schülers. Aus der Feder von Lucius Annaeus Seneca stammt diese im Sprichwörtlichen oft umgekehrt zitierte Erkenntnis, dem eigentlich ein dickes Ausrufezeichen fehlt. Mit dem Satz werden vielleicht Erinnerungen an die eigene Schulzeit wach. Gedanklich geht man die Schuljahre durch, sieht sich hin und wieder träumend im Klassenzimmer oder zu Hause kopfschüttelnd über Buch und Heft sitzen. Gerade die ungeliebten Fächer und der Notendruck lassen dann mit Wut und Unverständnis die Worte von Seneca formen, nein herausschreien!
Frustrationserlebnisse scheinen unvermeidbar, doch wie ist ein Bildungserfolg dennoch sicherzustellen? Oder umfassender formuliert: Was kann die Kompetenzentwicklung positiv beeinflussen? In einer erst kürzlich gestarteten Langzeitstudie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sollen zur Beantwortung dieser komplexen Fragen mehr als 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einbezogen und 60.000 Bürgerinnen und Bürger verschiedenen Alters befragt werden. Welchen Einfluss hat es also auf den Bildungserfolg, wenn sich Bildungsbürger A im Vergleich zu Bildungsbürger B (mit ähnlichem demographischen Hintergrund) darin unterscheidet, eine oder mehrere andere Bildungseinrichtungen durchlaufen zu haben? Sicher spielt es eine Rolle, ob etwa nach der Grundschule erst das Gymnasium und dann die Hochschule folgen, um etwa Ingenieur zu werden. Doch ist der direkte und höchste Bildungsweg für jeden auch der richtige? Kann nicht auch ein Umweg für den ein oder anderen genau die Zeit bereit halten, die er braucht, um sich zu entwickeln und sich dann Schritt für Schritt dem beruflichen Ziel zu nähern? Vielfältige (Kompetenz und Bildungserfolg prägende) Einflüsse werden im Bildungsweg eines Einzelnen zu finden sein. Einen ganz entscheidenden Einfluss haben hierbei - fern von Fragen nach der Bildungsinstitution - die Menschen, mit denen man Bildungserfahrungen macht/teilt. Ganz zentral sind hierbei die Lehrenden. Anders als auf den systemischen Kontext von Bildung zu schauen und auf längst fällige, aber der Starrheit des Bildungssystems zum Opfer fallende Veränderungen zu hoffen, kann hier Wandel im Handeln geschehen ... und jeder ist aufgefordert. Ist es nicht so, dass man auf dem eigenen „Bildungsweg" Lehrpersonen begegnet ist, die einen durch ihre Art motiviert, den Unterricht einfach anders gestaltet und so Lust auf Lernen und Anstöße zur weiteren Bildung gegeben haben?
So wird in dieser w.e.b.Square-Ausgabe der Blick auf das alltägliche Lehren und Lernen gerichtet. Dazu gehört z. B. Unterricht mit digitalen Medien: Problemorientiertes kooperatives Lernen in einem Blended Learning-Setting - wie wird es konkret im Fach Deutsch in einem Gymnasium umgesetzt? Teamarbeit macht nicht immer Freude - was sind die Probleme beim kooperativen Arbeiten? Auch Lernanreize werden genauer dargestellt: ein Narrationskonzept für Grundschüler mit Anregungen für alle Altersklassen. Mit diesen und weiteren Beiträgen von Studierenden des Augsburger Medien-und-Kommunikation-Studiengangs wird der Lernende ins Zentrum gerückt. Die hier in Ansätzen aufgezeigten Lern- und Erfahrungsräume bergen das Potenzial, Schule mit Lebenswelt zu vereinen - in der Hoffnung, Seneca wird eines besseren belehrt.
Häuptle, E. (2009). Hier drücken, da drehen. Didaktische Konzepte und Medienarrangements zwischen Innovation und Tradition. Editorial. w.e.b.Square, 03/2009. URL: http://websquare.imb-uni-augsburg.de/2009-03/1.
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