Computerspiele im Geographieunterricht
Lernen muss nicht immer Auswendiglernen und Pauken bedeuten
Unsere heutige Gesellschaft ist ohne digitale Medien im Alltags- und Berufsleben kaum noch vorstellbar. In fast jeden Bereich des Lebens haben sie inzwischen Einzug gehalten, auch die Schule ist davon nicht ausgeschlossen. Digitale Medien können auf vielfältige Weise in den Unterricht eingebunden werden, zum Beispiel durch beamergestützte Präsentationen, Stunden im Internet, die Arbeit mit speziellen Programmen oder auch durch den Einsatz von Computerspielen. Für den Geographieunterricht wurden drei Spiele ausgewählt, die, nach einem theoretischen Abschnitt zu Computerspielen im Unterricht allgemein, mit ihren Vor- und Nachteilen vorgestellt werden.
Einleitung
Digitale Medien spielen in der modernen Gesellschaft eine immer größere Rolle. Allein seit dem Jahr 2002 hat sich die private Computer- und Internetnutzung in Deutschland stark erhöht. Kinder und Jugendliche werden sehr früh mit digitalen Medien konfrontiert, viele haben schon im Grundschulalter Zugang zu Computern. Laut der JIM-Studie (Jugend, Information, (Multi-) Media) von 2009 ist in jedem Haushalt mindestens ein Computer vorhanden, einen Internetzugang haben 98% aller Haushalte der befragten Jugendlichen. Ungefähr ein Drittel der Jugendlichen verfügt sogar über einen eigenen PC oder Laptop (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest, 2009, S. 6ff.). Im Statistischen Jahrbuch 2009 für die Bundesrepublik Deutschland ist zu lesen, dass 75,8% der befragten Haushalte einen oder mehrere Computer besitzen. 68,7% der Haushalte verfügen über einen Internetanschluss. Des Weiteren ist ersichtlich, dass im Jahr 2008 98% der Personen im Alter von 10 bis 24 Jahren einen Computer nutzten. 95% dieser Altersgruppe verwenden das Internet (vgl. Statistisches Bundesamt, 2009, S. 115). Diese Zahlen verdeutlichen die große Bedeutung von Medien für Jugendliche. Es ist also selbstverständlich, dass digitale Medien auch in der Schule mehr und mehr eingesetzt werden. Die Möglichkeiten, sich Inhalte auf spielerische Art und Weise anzueignen oder vorhandenes Wissen zu vertiefen, sind zahlreich. Im Folgenden wird auf den Einsatz von Computerspielen im Geographieunterricht eingegangen. Dabei werden die drei Spielgenres Lernspiel, Adventurespiel und Simulationsspiel näher beleuchtet.
Computerspiele im Unterricht
Zu den Lernspielen zählen beispielsweise Topographiespiele, anhand derer die Schüler topographisches Wissen festigen können. Lernspiele verfolgen allgemein den Zweck, einen Inhalt zu vermitteln oder zu festigen. Adventurespiele hingegen sind „Spiele, bei denen der Spieler vor allem Rätsel lösen und Geheimnisse herausfinden muss und dabei die Spielwelt erkundet. Dabei werden zumeist Gegenstände in der Spielwelt zur Verbesserung des Charakter und vor allem für die Bewältigung der Aufgaben gesammelt" (Adler, 2008, S. 26). Simulationsspiele sind definiert als
„Spiele, bei denen der Spieler aus der Realität bekannte Gegenstände, Maschinen oder (technische) Systeme möglichst realitätsnah bedienen bzw. einsetzen kann. Von Bedeutung sind ein oft sehr hoher Realismusgrad, eine vereinfachte aber dennoch möglichst realistische Steuerung sowie Aufgaben bzw. Kontexte, in denen der Spieler das simulierte Objekt sinnhaft einsetzen kann." (Adler, 2008, S. 26)
Die Zahl der Spielgenres könnte noch erweitert werden (vgl. Adler, 2008, S. 26f). Um jedoch einen Überblick über die Spielmöglichkeiten zu geben, welche im Unterricht sinnvoll eingesetzt werden können, sollten die drei genannten Genres ausreichend sein. Beispielsweise werden Actionspiele und Rollenspiele im Geographieunterricht eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Aus den ausgewählten Spielgenres wird später im Text jeweils ein Beispiel genauer vorgestellt. Zunächst ist es jedoch wichtig, Computerspiele und Unterricht generell zu behandeln. Denn nur so wird auch im Allgemeinen deutlich, welche Vor- und Nachteile der Einsatz mit sich bringt.
Ein erster Vorteil gegenüber den traditionellen Unterrichtsmedien stellt die Interaktivität dar. Bei Computerspielen interagiert der Spieler mit dem Computer und dem Spiel selbst. Hierbei werden durch die Verknüpfung von Bild, Ton, Text etc. verschiedene Sinneskanäle aktiviert. Dadurch werden auch die verschiedenen Lerntypen angesprochen, egal ob zum Beispiel mehr visuell oder auditiv. Solch ein Ansprechen mehrerer Sinneskanäle zur gleichen Zeit kann aus psychologischer Sicht das Lernen erleichtern, allerdings ist diese Annahme in der Psychologie umstritten. Für Schüler ist ebenso wichtig, dass sie bei Computerspielen meistens eine sofortige Rückmeldung bekommen, ob ihre Handlung oder Antwort korrekt war und welche Folgen daraus resultieren. Des Weiteren erhalten sie für korrekte Antworten, richtig gelöste Rätsel und Ähnliches in gewisser Weise Belohnungen; motiviert wird durch den Erwerb von Punkten oder einfach durch das Weiterkommen im Spiel. Computerspiele haben also eine stark motivierende Funktion. Für Schüler stellt der Einsatz von Computerspielen im Unterricht oder Lernprozess eine Abwechslung dar und sie erleben, dass es verschiedene Lernwege gibt. Nicht immer muss mit Mitschriften und Schulbüchern stupide auswendig gelernt werden, Lernen kann auch Spaß machen und mehr oder weniger beiläufig passieren. In solch einem Fall ist nach Neuweg (2000) die Rede von Lernen ‚en passant‘.
Doch es gibt auch Gefahren beim Einsatz von Computerspielen im Unterricht bzw. zu beachtende Probleme. Das wohl größte Problem bei der Nutzung von Computerspielen ist der sehr hohe Zeitaufwand. Insbesondere Adventure- und Simulationsspiele lassen sich nicht in einer Schulstunde durchspielen, da eine gewisse „Einlernzeit" nötig ist. Die Spielstände lassen sich zwar in den meisten Fällen speichern, bis ein Spiel jedoch komplett durchgespielt ist, vergeht sehr viel Zeit - Zeit, die in der Schule leider nicht vorhanden ist. Alternativ ist es möglich, dass den Schülern Spiele als Empfehlung genannt werden und sie die Möglichkeit haben, diese Spiele zuhause durchzuspielen. In diesem Fall wird eine weitere Gefahr allerdings vergrößert: Computerspiele bieten teilweise auch die Möglichkeit, dass der Spieler durch Raten, Ausprobieren und Herumklicken zum Ziel gelangt, dabei jedoch kein Wissen erlangt und benötigt. Sicherlich ist es in manchen Fällen nötig, einen educated guess zu machen und verschiedene Varianten auszuprobieren. Sollte dieses Verhalten allerdings die Überhand gewinnen, dürfte der Lerneffekt sehr gering ausfallen. Im Unterricht kann dies noch in gewissem Maße durch den Lehrer kontrolliert werden. Spielen die Schüler die Spiele zuhause, ist diese Kontrollinstanz nicht mehr vorhanden. Das genannte Raten und Ausprobieren führt direkt zu einem weiteren Problem bei Computerspielen: Oftmals ist die richtige Lösung nicht einfach zu erraten, viel Ausprobieren ist nötig. Es kann auch sein, dass die Schüler ein Rätsel nicht lösen können oder nicht wissen, was für einen Gegenstand sie zum Weiterkommen im Spiel benötigen. Dies kann in manchen Fällen schnell zu Frustration und somit zu Spaßverlust führen. Wenn Computerspiele allerdings zur Pflicht werden und keinen Spaß mehr machen, wird sich vermutlich auch der Lerneffekt verringern und im Extremfall kann es sogar zu einer Verweigerungshaltung gegenüber dem Computer kommen.
Konkrete Beispiele
1. Seterra
Im Folgenden wird jeweils ein Beispiel aus den drei Spielgenres genauer erläutert und analysiert. Begonnen werden soll mit „Seterra", einem Topographielernspiel, das kostenlos aus dem Internet herunterzuladen ist. In diesem Spiel geht es um Länder, Städte und Flaggen aus der ganzen Welt. Es ist unterteilt in die Unterkapitel Europa, Nordamerika, Südamerika, Asien, Afrika, Australien und „Die Welt". Bei den Karten, mit denen im Spiel gearbeitet wird, handelt es sich um sehr vereinfachte stumme Karten, auf denen das korrekte Land, die korrekte Stadt, etc. anzuklicken ist (siehe Abbildung 1). Ein paar der zahlreichen Spiele beschäftigen sich mit den Ländern Europas, Hauptstädten Europas, Städten in verschiedenen Ländern, Bundesländern und Bundesstaaten, dem Zuordnen von Flaggen, Bergen und Vulkanen der Welt. Der Schwierigkeitsgrad der einzelnen Spiele ist sehr unterschiedlich. So ist zum Beispiel das Spiel „deutsche Bundesländer" aufgrund des Lehrplanbezugs bereits in niedrigen Klassenstufen ohne Probleme einsetzbar, „Orte in Süd-, Mittel- und Nordschweden" hingegen werden im Unterricht nicht so tiefgründig behandelt, dass Schüler dieses Spiel ohne Hilfsmittel korrekt lösen könnten. Ideal ist Seterra zur Festigung von bereits Gelerntem, besonders dann, wenn bestimmte Regionen oder Länder im Unterricht behandelt werden. Bei den einfachen Spielen ist es unter Umständen sogar möglich, sie als Einstieg in eine Region zu verwenden, um so z.B. gleichzeitig den Kenntnisstand der Schüler festzustellen. Das Spiel speichert bei jedem Spiel die High Scores. Dies ermöglicht es den Schülern zu sehen, ob sie sich verbessert oder verschlechtert haben oder auch wie sie im Vergleich zu anderen Schülern stehen. Insbesondere der Vergleich mit den Mitschülern kann ein Motivationsfaktor sein. Positiv fällt auf, dass beim Anklicken der falschen Lösung der korrekte Name des angeklickten Ortes, Landes etc. angezeigt wird. Dadurch testen die Schüler nicht nur ihr bereits vorhandenes Wissen, sondern haben auch die Möglichkeit dazuzulernen. Wenn dreimal die falsche Antwort angeklickt wurde, zeigt das Spiel die korrekte Lösung an. Dadurch wird zum einen die Frustrationsgrenze der Schüler herabgesetzt und zum anderen wird so verhindert, dass die Schüler einfach nur raten. Für den Einsatz im Unterricht von Vorteil ist die Möglichkeit, Musik und Soundeffekte auszuschalten. Es gibt sogar die Gelegenheit für fächerverknüpfenden Unterricht, denn bei Seterra können über die Einstellungen verschiedene Sprachen eingestellt werden.
Abb.1: Screenshot Seterra "deutsche Bundesländer"
2. Geograficus
Als Adventurespiel wird Geograficus von der United Independent Entertainment GmbH als Beispiel herangezogen. Entwickler und Herausgeber ist BrainGame Publishing GmbH. Auf deren Homepage wird das Spiel wie folgt beschrieben:
„Nie war ein Lernadventure humorvoller und emotionaler als in Geograficus. Hier ist zwar viel geografisches Wissen aus dem komplexen Lernteil gefragt. Das wird jedoch so lustig und spannend zugleich in Szene gesetzt, dass Lernen wirklich Freude macht. Ein comic-haftes 3d-Design und eine Reihe ausgefallenster Charaktere (von der fleischfressenden Pflanze bis zum Zauberer) garantieren eine Menge Spielspaß für die ganze Familie, bei dem kein Auge trocken bleibt." (BrainGame Publishing, 2005)
Dies klingt auf den ersten Blick nach einer vielversprechenden Kombination aus geographischem Wissen und Spielspaß. Um dies zu überprüfen, testete die Autorin das Spiel zunächst selbst und bat dann einen 16-jährigen Gymnasiasten das Spiel durchzuspielen. Dieser, aus einer 10. Klasse eines Kemptener Gymnasiums, schrieb folgendes Resümee:
„Die grundsätzliche Aufmachung des Spiels finde ich sehr gut, die Story gefällt vor allem jüngeren Spielern auch recht gut denke ich mal. Als Point and Click Adventure ist es ja auch nicht sonderlich kompliziert zu bedienen und die Grafik/Spielmechanik ist auch völlig in Ordnung. Ich finde die Idee auch super, Lernaufgaben zum Bereich der Geographie nicht so offensichtlich ins Spiel einzubauen. [...] Aber gerade die Aufgaben sehe ich mal als nicht so sinnvoll an in Geograficus, ich hab mich des Öfteren nach dem logischen Sinn von denen gefragt, als Beispiel nehme ich mal die allererste Aufgabe, wo man mit einer Gondel über einen Abgrund fahren muss. Die funktioniert aber nur, wenn man ähnlich wie bei einem einarmigen Banditen Bilder in die richtige Reihenfolge bringt. Als ich das erste Mal an die Stelle gekommen bin, war ich mir gar nicht 100%ig sicher, was ich machen muss. 3 Wahlräder mit Bildchen von Pflanzen und Dinosauriern drauf und darüber steht ‚Kreide‘. Zur Hilfe steht einem der magische Kristall zur Verfügung, eine Art Lexikon, und ohne den wäre ich ziemlich aufgeschmissen gewesen. ‚Normale‘ Aufgaben aus dem Bereich Erdkunde trifft man kaum an im ganzen Spiel, es sind meiner Meinung nach zu spezifische Sachen die gefragt werden. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man nach dem Durchspielen von Geograficus eine sonderliche Lernwirkung erzielt hat [...]. Erdkunde ist halt ein reines Lernfach [...] und daher denke ich lernt man nicht wirklich beim Spielen von Geograficus; ein anderer Grund dafür könnte die aus meiner Sicht unpassende Auswahl der Aufgaben sein. Die sind aus dem Kopf heraus kaum zu beantworten und durch das reine Nachsehen im ‚Lexikon‘ lernt man ja nicht unbedingt viel dazu - und da liegt ein merkwürdiger Unterschied zwischen der Aufmachung die mehr auf Kinder ausgelegt ist und den Aufgaben die fast schon für Experten gedacht sind. Mit ca. 6-8 Stunden Spielzeit ist es aber erstaunlich umfangreich [...]. Letztendlich denke ich, Geograficus ist ein gutes Spiel für Leute die an Erdkunde interessiert sind. Für Schüler, die ihre Kenntnisse aufbessern wollen, halte ich es aber weniger für geeignet."
Das Fazit des Schülers fällt nicht sehr positiv aus. Auch wenn er Spaß am Spiel hatte, scheint der Lerneffekt durch Geograficus relativ gering zu sein. Woran dies liegen könnte, wird im Folgenden genauer erörtert.
Wie schon dem zitierten Schüler hat sich auch der Autorin der tatsächliche Mehrwert der Aufgabe mit den drei einzustellenden Rädern nicht wirklich erschlossen. Sicherlich ist es wichtig sich mit der Erdgeschichte zu befassen. Allerdings sind die Bilder, die der Spieler dem jeweiligen Erdzeitalter zuordnen muss, qualitativ minderwertig und auch durch Ausprobieren lässt sich diese Aufgabe lösen (siehe Abbildung 2). Weiterhin kann es passieren, dass der Spieler die Gondel, welche durch dieses Rätsel aktiviert wird, mehrmals benutzen muss, weil er etwas auf dem anderen Teil der Insel vergessen hat. Das Spiel speichert allerdings nicht, dass die Lösung bereits einmal oder auch mehrmals korrekt eingestellt wurde. Der Spieler muss sie immer wieder neu einstellen. Dies führt dazu, dass dem Spieler am Ende die drei richtigen Bilder bekannt sind, er damit aber keine Namen oder irgendetwas verbinden kann. Der Lerneffekt, sowohl kurz- als auch langfristig, ist demnach an dieser Stelle sehr gering.
Abb. 2: Geograficus Screenshot, Erdzeitalteraufgabe
Eine andere Aufgabe des Spiels ist es, dass der Spieler fünf Zettel mit Rätseln darauf finden muss, die Lösungen öffnen eine bestimmte Tür. Diese Rätsel lauten wie folgt: „Willst du öffnen dieses Tor, sag wann kam kein Leben vor.", „Zweitgrößter unter uns bin ich, willst du rein, errate mich.", „Als die Platten sich verschoben, die Anden sich gen Himmel hoben, noch heut sie in die Tiefe dringt und Erdenglut zutage bringt.", „Im Inneren tief die Erde bebt, darüber sich der Boden hebt. Wie heißt der Punkt, von dem das Beben in alle Richtung wird streben?" und „Wenn Platten zueinander streben, führt dies oft zu starken Beben. Die eine sich darunter schiebt, der Zone ihren Namen gibt." All diese Fragen lassen sich problemlos mit dem Kristall lösen. Um allerdings dort die korrekte Antwort zu finden, muss der Spieler sich durch ein paar Seiten lesen, wobei vermutlich zumindest ein Teil des Gelesenen hängenbleibt. Diese Art von Rätseln kommt im Spiel immer wieder vor. Jedoch lassen sich, wie der oben zitierte Schüler bereits anmerkte, die meisten Fragen nicht beantworten, ohne im Kristall nach der Lösung zu suchen. Ein besonders schweres Beispiel ist folgendes Rätsel in Gedichtform: „Einst war für 2 Jahre nur eisige Nacht/ Zuvor hat's bei Indien furchtbar gekracht/ Der Schlag war zu hören bis zu den Chinesen/ Doch die dachten erst es sei harmlos gewesen". Die Lösung zu diesem Rätsel besteht aus gleich drei Teilen und lautet: Krakatau - Indonesien - 535 n. Chr. Hier lässt sich erneut in Frage stellen, inwiefern dieses Rätsel für Geographie von Bedeutung ist und ob dadurch geographisches Verständnis oder Wissen beim Spieler verbessert werden. Es kommen jedoch auch immer wieder sinnvolle und offensichtlich geographisch relevante Fragen vor: „Wie nennt man die Gebiete, in denen sogenannte Tiefbeben am häufigsten auftreten?", „Wie nennt man den Ausgangspunkt eines Erdbebens?", „Wie wird die tiefste Stelle auf der Erde genannt?", „Welches metamorphe Gestein besteht nur aus Kohlestaub?" etc. Insgesamt sind die Rätsel aber zu spezifisch und für Schüler kaum lösbar ohne im Kristall nachzulesen. Dies kann kaum der Sinn eines Lernspiels sein, denn Lesen müssen die Schüler im Unterricht und für Hausaufgaben schon sehr viel in ihren Schulbüchern. Es wäre eventuell sinnvoll gewesen, eine ausgewogenere Mischung aus Fragen, die von Schülern ohne Nachlesen und nur durch Nachdenken zu lösen sind und Fragen, bei denen Nachlesen im Wissensteil weiterhilft, in das Spiel einzubauen. Auch werden durch die Rätsel nicht alle Bereiche des Kristalls abgedeckt. Dies ist in gewisser Weise eine Verschwendung von Speicherplatz, denn nur die wenigsten Spieler werden sich die restlichen Kapitel eigenständig durchlesen. Entweder hätten die Entwickler ungenutzte Kapitel weglassen können, oder aber mehr geographische Rätsel in Geograficus einbauen können. Fragwürdig ist auch die Tatsache, dass im Spiel ein Drache vorkommt, dessen Tränen zu Diamanten werden. Ob es sinnvoll ist, in einem Geographielernspiel einen geographisch relevanten Sachverhalt, nämlich die Entstehung von Diamanten, im Lernteil korrekt darzustellen, aber im Spielverlauf Diamanten aus Drachentränen entstehen zu lassen, ist fraglich. Allerdings ist die Idee, dass Drachen Diamanten weinen, so abstrakt, dass vermutlich kein einziger Spieler auf die Idee kommt, dass es tatsächlich wahr sein könnte. Zusammenfassend lässt sich noch sagen, dass Geograficus eine nette Beschäftigung ist, für den Geographieunterricht jedoch aufgrund des hohen Zeitaufwands und des verhältnismäßig geringen Nutzens eher ungeeignet erscheint, wie auch der oben genannte Schüler bereits festgestellt hat. Lehrer könnten sinnvollerweise im Unterricht auf die Existenz dieses Spiels hinzuweisen. Gerade geographieinteressierte Schüler könnten viel Spaß mit dem Spiel haben und durch die große Menge an Wissen im Kristall ihr eigenes Wissen im geographischen Bereich selbstständig und freiwillig erweitern.
3. SimCity
Ein Beispiel für ein Simulationsspiel ist SimCity. Die Verfasserin dieser Arbeit spielte testweise die SimCity 4 - Deluxe Edition von Electronic Arts GmbH. Hierbei handelt es sich um ein Simulationsspiel, in dem der Spieler seine eigene Stadt, bestehend aus Wohn-, Gewerbe- und Industriegebieten aufbaut. Dabei ist er auch für die komplette Infrastruktur, wie Straßen, öffentliche Verkehrsmittel, Strom- und Wasserversorgung, Schulen, Polizeireviere und Feuerwehren verantwortlich. Diese verschiedenen Infrastrukturmaßnahmen üben Einfluss auf das Spielgeschehen aus. Schulen, Parks, Wasserversorgung etc. erhöhen die Attraktivität von Wohngebieten, was dazu führt, dass reichere Bevölkerung angelockt wird. Polizeireviere führen zu einer sinkenden Kriminalitätsrate, wodurch erneut die Attraktivität des Gebietes erhöht wird. Industriegebiete und Kraftwerke hingegen haben eine hohe Luftverschmutzung zur Folge und lassen die Attraktivität des Gebietes sinken. Hochwertige Industrie (im Spiel High Technology) wird sich nicht neben luftverschmutzender Schwerindustrie ansiedeln.
Dem Spieler ist es auch möglich, die Steuern individuell einzustellen. Möchte er beispielsweise reiche Wohnbevölkerung in die Stadt holen, sollte er für die reiche Bevölkerung die Steuern senken. Doch erst wenn viele Faktoren ideal sind, bilden sich tatsächlich reiche Wohngebiete. Hierzu zählen, wie schon erwähnt, Schulen, Krankenhäuser, Polizeireviere, Parks und andere Freizeitmöglichkeiten, gute Strom- und Wasserversorgung, sowie öffentlicher Nahverkehr. Besonders wichtig ist es auch, darauf zu achten, dass die Stadt höhere Einnahmen als Ausgaben hat, ansonsten hat der Spieler sehr schnell kein Geld mehr um weiterzubauen. Auf solche Dinge und auch auf eventuelle Luftverschmutzungen, Straßen mit hoher Staugefahr oder veraltete Kraftwerke, machen einen regelmäßig die Berater aufmerksam.
SimCity im Unterricht einzusetzen wird in einer normalen Unterrichtseinheit nicht möglich sein. Um sich mit dem Spiel vertraut zu machen ist es sinnvoll, die enthaltenen Tutorials durchzuspielen. Dies nimmt bereits eine komplette Unterrichtsstunde in Anspruch, unter Umständen sogar noch mehr. Am ehesten ließe sich SimCity in einer Projektwoche einsetzen. Eine Einsatzmöglichkeit wäre zum Beispiel folgende: Die Klasse wird in Zweiergruppen eingeteilt. Die einzelnen Gruppen erarbeiten sich das Spiel und müssen innerhalb der Projektwoche ein bestimmtes Ziel erreichen. Denkbar wäre hier eine bestimmte Einwohnerzahl und hohe Attraktivität zu erzielen. Während der Woche wird den Schülern freie Hand gelassen. Am Ende werden die entstandenen Städte dem Klassenverband anonym vorgestellt und in geheimer Wahl werden Punkte vergeben. Zuvor sollten die Schüler Kriterien für die Punktevergabe festlegen (z.B. viel Schwerindustrie - wenig Punkte, hoher Bildungsgrad - hohe Punktzahl). Das Siegerteam könnte eine Urkunde und einen kleinen Preis erhalten. Neben der Zeit ist auch der Lerneffekt ein Grund, weshalb SimCity nicht zwingend in den Unterricht eingebunden werden sollte. Den Schülern wird beim Spielen zwar vermittelt, dass eine Stadt viel Planung und Überlegung benötigt und dass viele Faktoren Einfluss auf viele andere Faktoren haben, doch kann dies nur bedingt als ein Mehrwert für den Geographieunterricht bezeichnet werden.
Fazit
Computerspiele sind für die Schüler nicht länger eine reine Freizeitbeschäftigung; sie ermöglichen die Verknüpfung von Spaß und Lernen. Dabei lernen die Jugendlichen, dass der PC auch als Arbeitswerkzeug fungiert. Diese Verbindung zur Freizeit ist ein Grund für die erhöhte Motivation der Schüler beim Einsatz digitaler Medien.
Der Einsatz von Computerspielen direkt in der Unterrichtsstunde stellt sich jedoch als kompliziert heraus, da viele Spiele einen sehr hohen Zeitaufwand haben. Gerade kleine Topographielernspiele können allerdings auch in kürzerer Zeit eingesetzt werden und bieten sich somit eher an als Simulations- und Adventurespiele. Doch in Projektwochen sollten auch diese Möglichkeiten nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Vorteile von digitalen Medien im Unterricht, in diesem Fall Computerspiele, sind ganz eindeutig die Interaktivität, die Selbstständigkeit der Schüler und die Förderung von Sozialkompetenz und Teamfähigkeit der Schüler (in den meisten Fällen verfügen Schulen nicht über ausreichend Computerarbeitsplätze und die Schüler müssen in kleinen Gruppen zusammenarbeiten). Es darf auch nicht vergessen werden, dass durch einen sinnvollen und reflektierten Medieneinsatz die Medienkompetenz der Schüler auf- und ausgebaut wird und damit die Grundlage für die Zukunft der Schüler in der Arbeitswelt geschaffen wird.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass ein ständiger Medieneinsatz bei Schülern sehr schnell zur Gewohnheit wird und somit der Vorteil der Motivation ins Gegenteil umgekehrt wird. Es kann demnach nicht Sinn des Medieneinsatzes sein, in jeder Stunde digitale Medien zu verwenden. Stattdessen sollten sie gezielt und nicht zu häufig eingesetzt werden, wenn sie etwas Besonderes bleiben und die Motivation der Schüler erhöhen sollen. Ebenso sollte der Einsatz von Medien uneingeschränkt einen höheren Zweck verfolgen und nicht nur um der Medien willen geschehen.
Literatur
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- Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest (2009). JIM-STUDIE 2009. Jugend, Information, (Multi-) Media. URL: http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf09/JIM-Studie2009.pdf (22.06.2010).
- Neuweg, G.H. (2000). Mehr lernen, als man sagen kann. Konzepte und didaktische Perspektiven impliziten Lernens. In: Unterrichtswissenschaft, 28, 197-217.
- Statistisches Bundesamt [Hrsg.] (2009). Statistisches Jahrbuch 2009. Wiesbaden.
- Wartoft, M. (2010): Marianne Wartoft AB. Seterra. URL: http://www.wartoft.nu/software/seterra/german.aspx (20.07.2010).
Bülow, C. (2010). Computerspiele im Geographieunterricht. Lernen muss nicht immer Auswendiglernen und Pauken bedeuten. w.e.b.Square, 04/2010. URL: http://websquare.imb-uni-augsburg.de/2010-04/4.
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