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Wissensmanagement und E-Learning unter Bildungsperspektive
Ausgabe 2011 04

Kein Bock auf Blog?!

Welche Hürden bringt der Weblog-Einsatz in Lehrveranstaltungen mit sich? Eine Untersuchung zur Akzeptanz und Motivation von Studierenden


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Medieninhalte selbst erstellen, alleine oder in Zusammenarbeit mit anderen, online publizieren und mit Interessierten teilen - dank Mitmach-Web und einfachen Social Media-Anwendungen ist das, rein technisch gesehen, überhaupt kein Problem mehr. Doch Studien belegen, dass Jugendliche und Studierende zwar viel Zeit im Netz verbringen, seine produktiv-gestaltenden Möglichkeiten jedoch nur selten nutzen (vgl. Kleimann, Özkilic & Göcks, 2008; Schorb et al., 2008; Schulmeister, 2008). Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse scheint die Diskussion um computergestützten Unterricht an Hochschulen ziemlich realitätsfern. Wenn junge Erwachsene schon in der Freizeit so geringe Eigenaktivität bei der Produktion von Medieninhalten zeigen, wie können solche Angebote erfolgreich in die Lehre integriert und die studentische Zusammenarbeit im Netz gefördert werden?

Ich selbst habe diese Problematik während meines Studiums des Öfteren erlebt, wie etwa bei zwei Seminaren mit Weblog-Einsatz. Die Frage ‚Was soll ich denn überhaupt bloggen?‘ war vor und nach den Seminarsitzungen das Gesprächsthema Nummer eins der Kursteilnehmer. Doch woran liegen die vielen Schwierigkeiten, in Lehrveranstaltungen zu bloggen, online Ideen auszutauschen und Diskussionen weiterzuführen? War es die allgemeine Ideen- und Lustlosigkeit der Studierenden oder beeinträchtigten tiefer liegende Gründe die aktive Beteiligung? Bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dieser Frage kommt die Fachliteratur bei allen unterschiedlichen lerntheoretischen Positionen, Einsatzszenarien und Verwendungsformen immer wieder auf einen gemeinsamen Nenner: Die Integration digitaler Medien in die Hochschullehre kann nur funktionieren, wenn die Studierenden die nötige Motivation und Akzeptanz mitbringen (vgl. Kerres, 2006; Schulmeister, 2004; Reinmann, 2005; Seel & Ifenthaler, 2009). Genau diese beiden Aspekte habe ich im Rahmen meiner Bachelorarbeit näher betrachtet und bin den Fragen nachgegangen, wie Studierende Weblogs in Seminaren akzeptieren, wie motiviert sie sind, diese zu verwenden und durch welche Faktoren sie dabei beeinflusst werden. Aus diesen Ergebnissen habe ich mögliche Hürden bei der Verwendung von Weblogs sowie Vorschläge zur deren Bewältigung abgeleitet. Bevor ich zum Aufbau und den Ergebnissen meiner Untersuchung komme, möchte ich zuvor einige theoretische Überlegungen zur Verwendung von Weblogs in Lehrveranstaltungen anstellen.

 

Theoretische Vorüberlegungen

 

Das Phänomen Weblog

Allgemein dient das Weblog als Content-Management-System1 einzelnen Personen dazu, auf einfache Weise Inhalte wie Texte, Fotos, Audio- und Videodateien in Form von Artikeln auf einer eigenen Webseite zu veröffentlichen (vgl. Mosel, 2005; Röll, 2005). Generell zeichnen sich Weblogs durch einen hohen Grad an Vernetzung aus, der durch verschiedene Interaktionsfunktionen wie Kommentare, Permalinks und Trackback sichergestellt wird. Sie können auf vielfältige Weise verwendet werden, etwa als persönliches Tagebuch, Aktions- und Wissensplattformen sowie als journalistische und themenorientierte Angebote (vgl. Panke et al., 2007). Das übergeordnete Ziel ist dabei immer, „[…] interessenbezogen relevante Informationen für eine Internet-Öffentlichkeit rezipierbar und kollektiv erweiterbar zu gestalten“ (Draheim & Beuschel, 2005, S. 27).

Gerade die einfache technische Realisierung und die große Zahl an Hosting2-Plattformen haben zur rasanten Verbreitung von Weblogs beigetragen (vgl. Schmidt, 2006b). Im Dezember 2008 wurde die Zahl der deutschsprachigen Blogs, die innerhalb der vergangenen sechs Monate aktualisiert wurden, auf 200.000 geschätzt (vgl. Schmidt, Frees & Fisch, 2009). Im August 2011 wurden nahezu 170 Mio. Blogs im World Wide Web identifiziert (vgl. BlogPulse, 2011). Wie bei auch bei anderen Web 2.0- Anwendungen ist die Zahl der aktiven Blogger aber eher gering. Busemann und Gscheidle (2010) resümieren dieses Phänomen wie folgt: „[T]rotz ihrer hohen Zahl und der breiten Öffentlichkeitswirksamkeit zählen Weblogs […] für die Nutzer zu den Randerscheinungen unter den Web-2.0-Angeboten.“ (ebd., S. 364)

Weblogs in der Hochschullehre

Weblogs werden immer mehr in E- und Blended Learning-Szenarien eingesetzt (vgl. Kleimann, 2007). Sie besitzen aufgrund ihrer Interaktionsfunktionen das Potential, die Kommunikation, Kooperation und Vernetzung unter den Studierenden und mit den Lehrenden zu fördern und zur gemeinsamen Wissenskonstruktion beizutragen. Durch die Verortung im Internet kann auf aktuelle Quellen verwiesen und zugegriffen werden, wodurch Lerninhalte zudem aktuell gehalten werden (Brahm, 2007, S. 84). Neben der Funktion als Informationsspeicher können Studierende im Weblog den Prozess der Wissenskonstruktion mit der Dokumentation ihres individuellen Lernfortschritts nachvollziehbar machen. Diese Lernbiographie in Form von chronologischen Bausteinen dient ferner zur Erstellung von E-Portfolios. Die inhaltsorientierte Verwendung kann dann wiederum in die diskursorientierte Nutzung übergehen, wenn die eingestellten Inhalte und der damit verbundene Lernprozess im Nachgang reflektiert und die neuen Erkenntnisse in Bezug gesetzt werden mit dem bisherigen Wissen. Ferner können Weblogs zur Kommunikation der Studierenden untereinander und zur Kollaboration der Lerngruppen dienen. Über Weblogs kann ein Transfer von Wissen und Erfahrung erfolgen, wenn sich die Arbeitsgruppen über die Projektthemen und ihre Aufgabenbearbeitung diskursiv austauschen. Weblogs bieten außerdem eine Plattform zur anschließenden Publikation der Arbeitsergebnisse. Doch nicht nur Studierende können sich untereinander im Weblog austauschen, auch Lernende und Lehrende können das Blog zur gegenseitigen Kommunikation und zur Übermittlung von Feedback verwenden. Mit der Kommentarfunktion unterstützen Weblogs des Weiteren interaktive, gleichberechtige und selbstgesteuerte Diskussionsprozesse (vgl. Baumgartner, 2005; Brahm, 2007; Gaiser, 2008; Panke, 2010; Stocker, 2007; Röll, 2005).

Neben diesen speziellen Verwendungsformen und Vorteilen ergeben sich beim Weblogeinsatz in der Lehre aber auch besondere Schwierigkeiten: Gerade der zentrale Nutzungsanreiz der Spontaneität und Authentizität der Weblog-Kommunikation fällt bei der Übernahme in formelle Bildungskontexte weg. Die Einträge beim ‚verordneten‘ Bloggen werden nicht mehr selbst- und interessengesteuert erstellt, sondern nach den vorgegebenen, unter Umständen uninteressanten Seminarthemen (vgl. Stocker 2007; Panke et al., 2007).

Akzeptanz und Motivation im Bezug auf Lernen mit Medien

Die Nutzung von digitalen Medien im Hochschulkontext setzt bei den Lernenden unter anderem zwei wesentliche Aspekte voraus: Einmal muss bei der Erweiterung der Lernumgebung um den Medieneinsatz auch die Technologieakzeptanz der Studierenden dem Medium gegenüber gewährleistet sein. Werden die verwendete Technologien nicht akzeptiert, ist eine Verweigerung oder der Abbruch der Mediennutzung möglich (vgl. Kerres, 2003). Zum anderen muss die Lernmotivation, die in allen Lehr-Lern-Szenarien nötig ist, vorhanden sein. Gerade im Bereich des multimedialen Lernens spielen motivationale Aspekte eine große Rolle, da diese einen entscheidenden Einfluss auf den Lernprozess haben und vermutet wird, dass motivationale Prozesse Ressourcen aus dem Gedächtnis in Anspruch nehmen und deswegen die kognitive Belastung verringern oder erhöhen (vgl. Astleitner, Pasuachin & Wiesner, 2006).

 

Empirische Untersuchung

 

Fallbeschreibung

Wie motiviert sind die Studierenden jedoch in der Praxis, Weblogs in konkreten Seminarsituationen zu verwenden? Dies versuchte ich mit einer Untersuchung zweier Seminare mit Weblog-Einsatz, die an der Universität Augsburg angeboten wurden, herauszufinden. Um ein möglichst umfangreiches Bild zur Akzeptanz und Motivation sowie deren Einflussfaktoren zu erhalten, habe ich die Seminarblogs zunächst inhaltsanalytisch untersucht. Zudem führte ich mit Kursteilnehmern aus beiden Seminaren Gruppendiskussionen. Die Ergebnisse dieser Erhebungen überprüfte ich mit Hilfe einer kommunikativen Validierung mit der Lehrperson der beiden Seminare. Mit diesem Verfahren wird die Gültigkeit von Forschungsergebnissen durch die Rückkopplung an die Beforschten überprüft (vgl. Heinze, 2001).

Für das Forschungsvorhaben wurden bewusst zwei Seminare mit ähnlichen Rahmenbedingungen gewählt. So konnten die möglichen Einflussfaktoren auf die Akzeptanz und Motivation der Studierenden auf eine überschaubare Anzahl an Variablen festgemacht sowie die Unterschiede in der Einstellung der Studierenden besser erklärt werden. Das didaktische Konzept beider Seminare war ein projektorientiertes Blended Learning-Szenario; Gruppenblogs wurden in das Seminar als Leistungsnachweis integriert und sollten zur öffentlichen Reflexion, der Darstellung des Projektprozesses sowie zur Diskussion dienen. Die beiden Lehrveranstaltungen wurden für den gleichen Studiengang (Medien und Kommunikation) angeboten und von derselben Dozentin geleitet.

Ergebnisse

1.     Haben die Studierenden das Weblog im Seminar akzeptiert? Wie wurde das Weblog genutzt und welche Einstellung hatten die Studierenden dem Weblog gegenüber?

Während sich im Seminar B nur ein Drittel der Teilnehmer aktiv am Blog beteiligten, bloggten in Seminar A alle Studierenden. Insgesamt konnte aber in beiden Seminaren mit ungefähr zwei Posts pro Blogger pro Semester nicht von einer häufigen Nutzung gesprochen werden. Allerdings wurde in Seminar B das Blog intensiver genutzt, die Blogeinträge waren länger und zeugten von einer tiefergehenden thematischen Auseinandersetzung. Des Weiteren haben sich die Studierenden hier mehr über Kommentare ausgetauscht. Bei den Teilnehmern von Seminar A dagegen erfolgte keine tiefergehende Reflexion oder Recherche, der Arbeitsprozess wurde oberflächlich dokumentiert, da der zusätzliche Arbeitsaufwand möglichst schnell erledigt werden sollte.

Trotz der allgemeinen Wertschätzung von Social Media zeichnete sich in der Gruppe A eine eher negative Einstellung gegenüber des Seminarblogs ab, da in der Verwendung kein Nutzen oder Mehrwert erwartet und das Seminarangebot allgemein negativ bewertet wurde. Die Akzeptanz des Blogs in Seminar B war geteilt. Prinzipiell gestanden alle Studierenden dem Weblog einige Vorzüge und positive Effekte zu. Doch da die Inhalte und der Ablauf des Seminars für einige Teilnehmer nicht ansprechend waren und aufgrund von Strukturproblemen Unklarheiten herrschten, wurde die Blognutzung in der konkreten Situation teilweise nicht für sinnvoll erachtet und deswegen abgelehnt. Die aktiven Blogger dagegen bewerteten das Seminar positiver, erkannten in der Verwendung selbst wiederum einen Nutzen und wiesen deshalb eine hohe Akzeptanz auf.

2.     Waren die Studierenden motiviert, das Weblog zu nutzen?

In der Gruppendiskussion A zeichnete sich nicht nur eine geringe Akzeptanz, sondern auch eine geringe intrinsische Motivation ab. Die Diskussionsteilnehmer hatten sich nicht selbstbestimmt in ihrer Handlung gefühlt, das Bloggen geschah alleine aufgrund äußerer Anreize, nämlich der Vergabe von Noten. Das Bloggen und die damit beabsichtigten Funktionen wie Vertiefung des Lerninhaltes und Austausch in der Gruppe wurden nicht als persönlich relevant eingestuft. Auch die Diskussionsgruppe B war bezüglich der Motivation zweigteilt: Die nicht-bloggenden Gruppenmitglieder konnten weder in- noch extrinsisch motiviert werden, wobei sie vor allem die Einschränkungen im selbstbestimmten Handeln betonten. Die aktiven Blogger dagegen führten die Handlung weniger aufgrund der Anreize von außen aus, sondern haben sich in ihrem Handeln weitgehend autonom gefühlt und die Werte und Funktionen des Bloggens verinnerlicht.

3.     Welche Faktoren haben die Motivation und Akzeptanz beeinflusst?

In den Gruppendiskussionen kristallisierte sich das Interesse am Seminarinhalt als einer der entscheidenden Faktoren heraus. Ohne Interesse für die Thematik hatten die Studierenden das Lernszenario schlechter bewertet und keinen persönlichen relevanten Nutzen aus dem Blogeinsatz ziehen können. Auch wenn die Verpflichtung zum Bloggen von beiden Gruppen kritisiert wurde und einen entscheidenden Einschnitt in der Motivation darstellte, so war sie doch zumindest bei der Gruppe A der entscheidende externale Anreiz für die Verwendung des Seminarblogs. Gerade im Hinblick auf die Benotung hatten die beiden Diskussionsgruppen eine genauere Benennung der Anforderungen und Bewertungskriterien für den Blogeinsatz gefordert, da die Studierenden ihre Leistungen nicht anhand eines vorgegebenen Rasters einordnen und messen konnten. Die geringen Vorgaben ließen auch offen, welche Funktion das Weblog erfüllen sollte, weshalb die Diskussionsteilnehmer zum Teil keinen konkreten Nutzen – abgesehen von den Erwerb von Leistungspunkten – in der Verwendung dieser Social Software feststellen konnten.

Die Betreuung und Beteiligung der Dozentin im Weblog hatte, je nach Studienfortschritt, unterschiedliche Wirkungen in den beiden Seminaren. Die Gruppe B mit überwiegend Master-Studierenden fühlte sich durch die Zurückhaltung der Lehrperson in ihrer selbstbestimmten Arbeitsweise bestärkt. Dieser Betreuungsstil hatte jedoch eine demotivierende Wirkung bei der Gruppe A. Das ausbleibende Feedback ließ in Zusammenhang mit der geringen Anleitung das Kompetenzerleben der Studierenden in den jüngeren Fachsemestern schrumpfen und vernachlässigte ihr Bedürfnis nach sozialer Anerkennung.

Die Öffentlichkeit des Weblogs war laut der Diskussionsteilnehmer keine ausschlaggebende Bedingung für oder gegen die Blognutzung. Doch eine freie und offene Meinungsäußerung schien nicht möglich, da die Reflexion des Lernprozesses und von Problemen im Seminarblog als Eingeständnis von Schwächen und Fehlern verstanden wurde, was wiederum den Mehrwert und die Akzeptanz der Nutzung verringerte.

Hürden beim Weblogeinsatz

Welche Schwierigkeiten treten beim Einsatz von Weblogs in Seminaren auf und wie können sie überwunden werden? Dieser Frage bin ich abschließend mit einer kommunikativen Validierung der Ergebnisse der Untersuchung nachgegangen.

Generell ist das Interesse der Studierenden an den Seminarinhalten entscheidend für deren Engagement und Motivation. Da dies aber von anderen Rahmenbedingungen und nicht von der Social Media-Nutzung abhängt, wird dieser Punkt nicht weiter betrachtet. Ähnlich wie die Studierenden hält auch die Lehrperson das Benoten von Weblogs für notwendig, um überhaupt eine Mindest-Beteiligung der Studierenden zu erzielen.

Eine der Schwierigkeiten, die beim Bloggen im Seminar auftreten, bezeichnet die Dozentin als ‚inhaltlich-thematische Hürde‘. Während die Anforderungs- und Bewertungskriterien von der Dozentin bewusst offen gehalten werden, um einen selbstbestimmten Arbeitsprozess zu fördern, fordern die Studierenden wie bei konventionellen Prüfungsformen klar definierte Kriterien. Die Dozentin sieht also den Denkprozess und die Auseinandersetzung mit dem Medium an sich schon als eine der Ziele des Blogeinsatzes an, die Studierenden hingegen erwarten Beispiele für die konkrete Verwendungsform und Maßstäbe zur Leistungsbewertung. Hier spielt auch die ‚ökonomische Hürde‘ des Bloggens mit hinein, da die Studierenden ihren Arbeitsaufwand möglichst genau definieren und effizient gestalten möchten. Um die Studierenden zum selbstorganisierten Lernen anzuregen und einen Wandel in dieser Auffassung zu vollziehen, müssen sich die Lernenden diesen Ansprüchen überhaupt erst bewusst werden. Deswegen sollte die Lehrperson klare Zielvorgaben formulieren! Die Definition eines Anforderungshorizontes muss keine penible Instruktion zu Anzahl und Länge der Blogeinträge oder eine thematische Eingrenzung und Vorstrukturierung des Aufbaus sein. Wenn es das Ziel des Weblogeinsatzes ist, das selbstorganisierte Lernen anzuregen und die Studierenden selbst sinnvolle Verwendungsformen von Blog herausfinden zu lassen, besteht ja gerade darin die Anforderung an die Studierenden. Dies sollte auch unbedingt so kommuniziert werden. Die Unsicherheit der Studierenden besteht hauptsächlich darin, dass sie Anforderungs- und Bewertungskriterien beim Dozierenden vermuten, die sie aber selbst nicht kennen. Durch die Schaffung von mehr Transparenz würden sich die Studierenden selbstsicherer erleben und könnten zu mehr Experimentierfreudigkeit angeregt werden.

Im Zuge dessen sollte auch die Lehrperson gemeinsam mit den Lernenden die Rolle der Öffentlichkeit diskutieren! Wie auch die Dozentin feststellte, sind Studierende beispielsweise weniger dazu bereit, ihren Lernprozess im Blog zu posten. Die Gruppendiskussion zeigte die Einstellung der Studierenden, nach welcher Reflexion als ein grundlegend privater Prozess betrachtet wird, an dem weder das World Wide Web noch die Lehrperson beteiligt werden sollte. Dabei wird übersehen, dass Reflexion auf verschiedenen Ebenen stattfinden kann und nicht unbedingt die Offenbarung der innersten Gedankengänge, sondern auch das kritische Nachdenken und das Beziehen einer eigenen Stellung zu kontroversen Themen meint. Zu welcher Art der Reflexion die Studierenden bereit sind, kann zu Beginn des Weblogeinsatzes besprochen werden. Der dafür benötigte Schutz der Privatsphäre kann beispielsweise dadurch bewerkstelligt werden, dass einzelne Posts oder das gesamte Blog nur intern eingesehen werden kann oder den Studierenden die Verwendung von Pseudonymen frei steht.

Die eigene Rolle im Lernszenario beschreibt die Dozentin als ‚Coach‘, der den Prozess der Bloggens beobachtet und gezielt studentische Beiträge kommentiert, um bei mangelnder Beteiligung seitens der Kommilitonen die ‚emotional-motivationale‘ Hürde zu überwinden. Studierende im niedrigeren Fachsemester benötigen in diesem Punkt vermehrt Unterstützung. Im Fall der Diskussionsgruppe A hat die Hilfestellung seitens der Dozentinnen jedoch nicht die mangelnde Beteiligung der Studierenden ausgleichen können. Um das Bloggen nicht zu einem frustrierenden und demotivierenden Erlebnis werden zu lassen, kann die Lehrperson die Rückmeldung von den Studierenden einholen!Zunächst sollte der Lehrende selbst sein Rollenverständnis im Seminarblog erklären, damit die Studierenden wissen, was sie von ihm erwarten können. Nach einer ersten Einarbeitungsphase sind die Studierenden selbst in der Lage einzuschätzen, wie eine motivierende Betreuung seitens des Dozenten im weiteren Verlauf aussehen sollte.

Natürlich können auch Feedback und Kommentare von den Studierenden selbst kommen. Allerdings sind sich die Lernenden dieser Aufgabe oft gar nicht bewusst. Diese ‚sozio-kommunikative Hürde‘ kann überwunden werden, wenn die Lehrenden das Weblog in den Arbeitsprozess integrieren! Um die Beteiligung der Studierenden am Blog abgesehen von dem Mindestanspruch für den Leistungsnachweis zu steigern, muss eine Notwendigkeit der Interaktion über das Blog geschaffen werden. Dieses Ziel wird etwa mit der Verlagerung von Lerninhalten in das Weblog erreicht. Auch wenn sich dafür schon andere Plattformen etabliert haben, kann so ein Anreiz und eine Notwendigkeit bei den Studierenden geschaffen werden, sich mit einer bestimmten Regelmäßigkeit auf dem Seminarblog aufzuhalten. Dadurch werden eine intensivere Auseinandersetzung mit der Anwendung und eine wechselseitige Kommunikation über dieses Medium wahrscheinlicher.

Wichtigste Forderung bleibt: Die Integration von Weblogs in Lehrveranstaltungen muss immer ein (Lern-) Ziel verfolgen, das den Teilnehmern auch ersichtlich sein muss. Ob dieses Ziel auch für die Studierenden als persönlich relevant eingestuft wird, ist fraglich und kann oft nur geringfügig beeinflusst werden. Doch das Lernziel sollte den Studierenden zumindest so vermittelt werden, dass sie den eigentlichen Sinn der Weblogverwendung erkennen und im besten Falle diese Auffassung teilen.

Diese Ergebnisse können zwar nicht verallgemeinert werden, da einerseits die Zahl der Probanden zu gering ist und sich andererseits die Untersuchung lediglich auf zwei Einzelfälle beschränkte. Jedoch können die Resultate und Handlungsempfehlungen als Denkanstöße für weitere Forschungsvorhaben in diesem Bereich dienen.

Fazit

Das zu Beginn angesprochene Bild der rezeptiven Internet-Jugend hat sich in meiner wissenschaftlichen Arbeit größtenteils bestätigt: Die Möglichkeiten und Vorteile des Web 2.0 und Social Web werden viel gelobt und anerkannt, doch der virtuelle Austausch und die aktive Produktion von Inhalten ist sogar unter Medienstudenten nicht selbstverständlich. Die Studierenden sollten sich jedoch schnell in die Rolle des selbstorganisierten Lernenden einfinden, da der technologiebedingte Wandel in der Lehr-Lernkultur gerade erst begonnen hat. Durch die stetigen Weiterentwicklungen von mobilen Informations- und Kommunikationsgeräten wird sich auch das Lernen weiter verändern. Der Lernprozess wird immer mehr von Ort und Zeit unabhängig, Studierende lassen sich nicht mehr in Vorlesungen ‚berieseln‘, sondern suchen sich ihre Lerninhalte selbst zusammen und vernetzen sich weltweit mit anderen Lernenden, um kollaborativ an Projekten zu arbeiten, eigene Wissensprodukte zu erstellen und in der Netz-Gemeinschaft zu präsentieren. Verglichen mit solchen zukünftigen Lernszenarien scheint der Weblogeinsatz im Seminar wie ‚von gestern‘. Bei dieser Form der virtuellen Zusammenarbeit sollten also nach Anpassung an die Anforderungen und Bedürfnisse der Studierenden alle Hürden, die von einer aktiven Beteiligung abhalten, überwunden sein.


1 Content-Management-Systeme (CMS) sind Systeme für die Verwaltung und Administration von Webseiteninhalten (ITWissen.info, 2011a).

2 Webhosting bezeichnet die Bereitstellung von Speicherplatz für Webseiten (ITWissen.info, 2011b).


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