Social Marketing
Editorial
Schon im Mittelalter haben Marktschreier lautstark auf ihre Ware aufmerksam gemacht, um Leute zum Kauf zu bewegen. Heutzutage gibt es kaum mehr stimmgewaltige Verkaufstalente auf den Straßen. Der Marktschreier von damals ist der Kommunikationsdesigner, Werbetexter, Onlineredakteur und Social Media-Beauftragte von heute. Seine Aufgabe ist die gleiche: das Anpreisen von Ware.
Doch wie bringt man uns dazu, etwas zu kaufen, zu unterstützen, zu mögen? Der Social Media-Beauftragte geht den Weg des Web 2.0: Er vernetzt sich, sammelt Freunde und Fans, postet Statusmeldungen und Fotos - und wir klicken „Gefällt mir". Uns gefällt das Urlaubsfoto des Freundes, aber auch das Bier der Regionalbrauerei oder die neue Kampagne des Schuhherstellers. Und was uns gefällt, sehen unsere Freunde - und die Freunde unserer Freunde und viele weitere Nutzer in der weit verzweigten, scheinbar grenzenlosen Social Network-Sphäre. Eine einfache Rechnung für den Social Media-Beauftragten: kleiner Aufwand, die richtigen Leute. Funktioniert so das Marketing des 21. Jahrhunderts? Können Nutzer andere Nutzer zu „Fans" und damit zu (potenziellen) Kunden machen? Es scheint so - Social Media-Marketing hat Hochkonjunktur, Facebook, Twitter und Co. werden zunehmend von Social Networks zu PR-Werkzeugen instrumentalisiert.
Den Chancen und Risiken dieses Trends widmete sich w.e.b.Square bereits in einer früheren Ausgabe (Link zu Ausgabe 05/2009). Auch in der aktuellen Ausgabe, die sich in sechs verschiedenen Dokumentationen dem Thema Marketing aus theoretischer und praktischer Perspektive nähert, geben Studierende spannende Einblicke in die PR-Methoden des Social Media-Zeitalters.
Wie aus einer einfachen Idee ein ganzes Markenimage entsteht und wie man mit der gezielten Platzierung unvollständiger Informationen im Social Web Aufmerksamkeit generieren kann, zeigt beispielsweise die „Save your ass"-Kampagne von Studierenden der Uni Augsburg. Hauptakteur: ein lebensgroßer Pinguin, der in kurzen Amateurvideos von einer Peinlichkeit zur nächsten stolpert. Ein paar Klicks auf Youtube und ein paar Fans auf Facebook später war der schräge Vogel in ganz Augsburg ein Star - die Marke Pit Pinguin geboren. Was Social Media-Marketing ermöglicht, das haben die Studierenden kreativ bewiesen. Eine Chance nicht nur für große Konzerne, sondern auch für kleine Unternehmen und Vereine, wie die beiden nächsten Beiträge zeigen: Mehrere studentische Gruppen haben darin praxistaugliche Konzepte ausgearbeitet, um soziale Netzwerke sinnvoll für die Landesarbeitsgemeinschaft Bayerischer Familienbildungsstätten (LAG) einzusetzen. Über diesen neuen Informationsweg sollen vor allem junge Eltern besser über die Angebote des Vereins informiert werden. Social Media-Marketing hat also auch den Non Profit-Sektor längst erreicht - eine Entwicklung, die auch aus bloßen Informationsgründen positiv zu werten ist.
Einen klassischen Weg dagegen wählt der Kommunikationsdesigner, um seine Ware anzupreisen. Statt Peer-Empfehlungen und „Gefällt mir"-Buttons bietet er die einfachste aller Kommunikationsformen: Bilder. „Bilder sind schnelle Schüsse ins Gehirn", schrieb schon Kroeber-Riel (1993, S. 11), denn zu ihrem Verständnis braucht man keine gemeinsame Sprache, keine komplexen Codiervorgänge und keine Erklärungen. Die Botschaft steckt im Visuellen - auch die Werbebotschaft, selbst wenn man dies oft nicht wahrnimmt. Ein roter Apfel? Abstrakt, wenn man nur den Begriff nimmt. Betrachtet man stattdessen das Bild eines solchen, werden Empfindungen von Frische, Geschmack und Wohlgefühl geweckt. Die Werbeindustrie macht sich diese Macht der Bilder zu Nutze und präsentiert uns Farben, Formen, Empfindungen in allen Facetten. Dabei muss es nicht immer ein Hochglanzfoto sein, um unsere Aufmerksamkeit zu fesseln - oft reichen wiederkehrende Muster und Farbschemata, damit uns eine Marke sprichwörtlich „ins Hirn gebrannt wird".
Kommunikationsdesign braucht zum Erfolg Struktur, Organisation, Wiedererkennungswert. Die moderne Unternehmenswelt hat dafür einen Begriff: Corporate Design. Das Prinzip ist einfach und effektiv - was gleich aussieht, gehört zusammen. Auch hier geht das Werbe-Bemühen weit über den eigentlichen Kontext hinaus und bis hinein in den Bereich Bildung. So setzen sich Studierende des Seminars „Visuelle Kommunikation" etwa damit auseinander, wie die Gestaltung eines professionellen Außenauftritts zur Identitätsstiftung und -wahrnehmung beitragen kann: Sie entwarfen ein visuelles Konzept für das Format „GMW meets educamp" auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW). Eines davon wurde auch umgesetzt. In der aktuellen Ausgabe berichten Teilnehmer des Seminars über ihre Arbeit und zeigen auf, welches Potenzial visuelle Kommunikation auch im Bildungsbereich entfalten kann. Eine weitere Dokumentation nimmt die Wissenschaftskommunikation auf der Tagung selbst unter die Lupe. Die Autoren dieses Beitrags haben aufbauend auf der Analyse der Begleitkommunikation zur GMW'09 ein eigenes Bausteinmodell entwickelt, welches zur Verbesserung zukünftiger Tagungsformate eingesetzt werden kann. Mit Tagungen beschäftigt sich auch die letzte Dokumentation: Das Format als solches ist hierbei Gegenstand der Überlegungen. Abschließend und im Sinne eines medienkritischen Exkurses findet sich in dieser Ausgabe die Masterarbeit von Tamara Ranner, die das Cyberbullying unter Jugendlichen fokussiert
Marketing ist neben allen anderen Wegen der Kundengewinnung und Imagepflege auch immer eines: Kommunikation. Ohne den Werbetexter wären Bilder zusammenhanglos, ohne den Onlineredakteur fehlte Social Media-Kampagnen die Substanz. Der Marktschreier von damals verfügte also bereits zu seiner Zeit über das wichtigste Werkzeug seines Handwerks - Worte.
In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern, dass die aktuelle Ausgabe ausreichend Worte für eine spannende Lektüre bereithält!
Literatur
Kroeber-Riel, W. (1993). Bildkommunikation. München: Vahlen.
Demler, C. (2011). Social Marketing. Editorial. w.e.b.Square, 02/2011. URL: http://websquare.imb-uni-augsburg.de/2011-02/1.
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