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Wissensmanagement und E-Learning unter Bildungsperspektive
Ausgabe 2007 05

Entwicklung eines Virtuellen Anatomieassistenten: ein Projektbericht

Der Lehrstuhl für Multimedia-Konzepte und Anwendungen der Universität Augsburg entwickelte zusammen mit Mitarbeitern des Studiengangs Medien & Kommunikation eine Anwendung aus dem Bereich virtuelle Realität, die auf der CeBit 2007 vorgestellt wurde.

Unter dem Konzept der „Augmented Reality“ verstehen Informatiker eine Ergänzung der menschlichen Arbeits- und Lebensrealität durch virtuelle Projektionen. Benutzer von AR-Installationen sehen ein Abbild der realen Welt, in das dreidimensionale Objekte überblendet werden. Bekannt ist Augmented Reality vor allem aus Science-Fiction-Filmen, in denen die Protagonisten beispielsweise in die Luft projizierte virtuelle Schaltflächen bedienen. AR ersetzt in diesem Sinne nicht die Realität, sondern erweitert sie. Idealerweise ist der Übergang von realen zu virtuellen Elementen kaum noch erkennbar. Als Qualitätsmerkmale von AR-Installationen sind daher festzuhalten: erstens die Präzision der Positionierung von virtuellen Objekten in der realen Welt, zweitens die künstlerische Qualität der virtuellen Objekten. Je photorealistischer Texturen und Schattenwürfe wirken und je detaillierter Objekte gestaltet sind, desto nahtloser gelingt der Übergang zwischen der realen Welt und dem virtuellen Raum.

Beschreibung des Projekts

Eine Projektgruppe unter der Leitung von Dr. Klaus Dorfmüller-Ulhaas am Lehrstuhl für Multimedia-Konzepte und Anwendungen von Prof. Dr. Elisabeth André an der Universität Augsburg setzte ein solches AR-Projekt um. Beteiligt daran waren auch mehrere Mitarbeiter aus dem Studiengang Medien & Kommunikation. Der „Virtuelle Anatomieassistent“ wurde auf der CeBit 2007 einer großen Öffentlichkeit vorgestellt: Ein Benutzer sieht in einem Spiegel sich selbst sowie reale Objekte. Neben ihm steht ein Skelett, welches sich ebenfalls spiegelt. Über eine 3-D-Maus lassen sich virtuelle Organe aus einem Menü an dem Skelett im Spiegel anbringen. Ein virtueller Anatomieassistent namens Ritchie hilft dem Benutzer bei der richtigen Platzierung und der Auswahl von Organen, kommentiert Fortschritte und gibt Hilfestellungen. Neben der technischen Aspekten der AR geht es also um die Mensch-Maschine-Interaktion.

Planung des Ablaufs des Virtuellen Anatomieassistenten

Zu Beginn des Projekts stand die Planung des Ablaufs des Virtuellen Anatomieassistenten. Es waren vier Phasen vorgesehen, die jeder Benutzer durchlaufen sollte. In der ersten (Idle/Invitation) wird er von Ritchie begrüßt, sobald er den Erfassungsbereich der Kameras betritt. In der zweiten Phase (Instructions) erhält der Benutzer von Ritchie Anweisungen, was seine Aufgabe ist, und wie er die 3-D-Maus bedient. In der dritten Phase (Place Organs) platziert der Benutzer die virtuellen Organe an dem Skelett. Phase vier (End Sequence) besteht aus einer Evaluation des Benutzers und einem entsprechenden Feedback. Wenn sich der Benutzer besonders geschickt anstellt, erhält er von Ritchie ein Lob. Hat er dagegen Fehler gemacht, wird dies im Feedback entsprechend berücksichtigt. Die vier Phasen wurden im Laufe des Projekts auf drei, unmittelbar vor Beginn der CeBit auf die Phase mit der Platzierung von Organen verkürzt. Instruktionen erhielten Benutzer nun von menschlichen Mitarbeitern am Stand.

Schreiben der Dialoge

In der Frühphase des Projekts gab es mehrere Besprechungen dazu, was Ritchie in bestimmten Situationen sagen sollte. I m späteren Verlauf wurde es notwendig, die Textsets des virtuellen Charakters mehrmals neu anzupassen. In der ersten Version gab er einen bestimmten Satz abhängig davon aus, welches Objekt der Benutzer an welchem Zielort platzierte. Bei vier Objekten (Herz, Nieren, Leber, Lunge) und vier entsprechenden Zielorten ergaben sich 44 Möglichkeiten. Da 16 Sätze eine zu geringe Variation boten, wurde die Anzahl der Sätze erst um eines, später um drei weitere Sets von Texten erweitert. Anschließend fügten wir Sätze hinzu für die Fälle, in denen Benutzer erst einen, zwei oder drei Fehler gemacht hatte. Es wurden somit für die Phase der Organplatzierung des virtuellen Anatomieassistenten 7 Sets zu jeweils 44 Sätzen, insgesamt 112 Texte erstellt. Später wurden die Dialoge in dieser Phase erneut erweitert.

Scripting mit einem kontextsensitiven Autorensystem

Scripting bedeutet die Übertragung der Dialoge in den Ablauf der Programmcodes. Das Script der Phase „Place Organs“ war bald zu fast 2000 Zeilen Länge angewachsen und beinhaltete zahlreiche Variablen. Zum Einsatz kam ACOSAS („a context sensitive authoring system“), eine Eigenentwicklung des Lehrstuhls für Multimedia-Konzepte und Anwendungen. Bislang existiert zu dem Programm noch keine Dokumentation. Wenn Unklarheiten auftauchten, musste jeweils bei den Entwicklern nachfragt werden. Die Einarbeitungszeit dauerte auch deshalb länger als geplant, weil das System während des Projektverlaufs beständig weiterentwickelt wurde. Wöchentlich kamen neue Bedienelemente und Funktionen hinzu. Mehr als einmal wurde es notwendig, das Script an neue Versionen des Programms anzupassen. Als Programmierer arbeitet man oft sehr lange an Problemen. Wenn man sie dann aber gelöst hat, ist die Freude über den Erfolgs umso größer.

Möglichkeiten der Weiterentwicklung

Ursprünglich sollte es im Anschluss an das Platzieren der Organe noch eine Phase geben, in der die Organe manipuliert werden konnten. Beispielsweise hätten Benutzer anhand des Skelettes Krankheiten diagnostizieren und dem Patienten bei niedrigem Blutdruck einfach ein größeres Herz zu implantieren können. Die Stärke der virtuellen Organe im Vergleich zum Plastilinmodell, wie man es aus dem Biologieunterricht in der Schule kennt, liegt meines Erachtens in der Möglichkeit, Stoffwechselvorgänge zu simulieren, zu visualisieren und zu manipulieren. Für eine Weiterentwicklung des Projekts halte es deshalb für eine sinnvolle Idee, Umfragen unter Experten durchzuführen und zu ermitteln, wo ihnen die regulären Modelle nicht mehr ausreichen. Daraus könnten sich Anregungen ergeben, Potentiale der bestehenden AR-Installation auszuschöpfen und das vielversprechende Konzept weiter zu entwickeln.

(Mehr zum Virtuellen Anatomieassistenten finden Sie auf der Projektseite unter http://mm-werkstatt.informatik.uni-augsburg.de/3d/vaa.)

Schnurr, J.-M. (2007). Entwicklung eines Virtuellen Anatomieassistenten: ein Projektbericht. w.e.b.Square, 05/2007. URL: http://websquare.imb-uni-augsburg.de/2007-05/2.

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